66. [288] Ulyssis Gespräch mit der Sau.

Als Ulysses sahe / daß ihm die wilden Thiere nicht wolten gehorchen / und er bey denselben wenig schaffte / ist er wieder nach der Circe Pallast gegangen / da er dann fort in dem Vorhofe eine grosse fette schwartze Sau im Miste liegend gesehen / die er also angeredet: Dir traue ichs am allerwenigsten zu / daß du dich soltest wegern / und nicht grosse Begierde haben / aus deinem unflätigen Stande versetzet / und des menschlichen Standes wiederum theilhafftig zu werden / inmassen du verhoffentlich auch einer bist meiner Gefehrten. Die Sau schwieg etwas stille / fieng bey sich an zu gruntzen / als wann sie über diese Rede zürnete / und solches ihr übel gefiele. Doch nach langem Bedencken / antwortete sie auf diese Art:

S. Ulysses warum läst du mich nicht zu frieden?[288] Ich bin zwar vor diesem einer von deinen Dienern gewesen / nemlich ein Koch: Nun aber habe ich nichts mit dir zu schaffen. Bey dir war ich verachtet / und jedermans Leibeigen / konte nichts schaffen / das dir oder einigem gefiel. Jetzt liege ich allhie im Kothe sanfft und stille / habe gute Ruhe / diene niemand /und werde überflüßig mit Speiß und Tranck versehen. Ich esse / was mir geliebet / wie die Säue pflegen. Warlich ich könte in den Elisäischen Feldern nicht besser leben. Dieses hat die Sau geredet mit solchem Unmuth und Bewegung des Gemüths / daß Ulysses darüber lachend worden. Dennoch ist er fortgefahren in seiner Rede.

Ulysses. O du unflätige Sau / was hast du dann für Glückseligkeit? womit bist du dann so begabet? Du bleibest eine Sau vor wie nach: Hast keine Vernunfft noch Verstand: Liegst im Koth biß an die Ohren: Nicht lange darnach belustiget sich ein ander mit deinem Fleische / und frisset deinen Speck.

S. Was frag ich nach der Wissenschafft oder Weißheit? Welcher viel weiß / und mit grossem Verstand begabet ist / muß sich immer plagen / hat eitel Mühe und Arbeit / und wird in seinem Amt so wol von Freunden als Fremden immer geplaget. Ja ob schon andere ihn mit Frieden lassen / martert und quälet er sich mit Gedancken / indem er den Dingen weiter nachsinnet: Thut also seinem Gemüthe Schaden / dem Leibe weh / und verkürtzet ihm selber das Leben. Ich will mehr sagen / etliche meynen / sie haben schon alle Weißheit gefressen / verstehen doch das geringste nicht / was ihnen für den Füssen liegt. Der aller dieser Dinge unwissend ist / führet ein still und müßig Leben: Achtet[289] nicht / was dieser oder jener thue: Lebet für sich selbst / läst andere / da sie stehen /stecken / und gedencket bey sich / daß der Tod alles vergleiche / den Ungelehrten dem Gelehrten / den Weisen dem Narren / den Reichen dem Armen / den Grossen dem Kleinen: Du sagest auch viel / Ulysses, vom Gestanck. Warlich der ist mir gantz nicht beschwerlich / sondern was dir deucht wohlriechend /das stincket mich an. Es ist nur eitel Einbliden. Einer mag den stinckenden Käß / der ander nicht. Der Muscus und Ambra ergetzen diesen / jenen bringen sie darzu / daß er in Ohnmacht falle: Ey lieber / was hatte ich doch in deiner Küchen für Lieblichkeit? da ich biß an die Armen im Blut / in der Suppe / bey dem geschlachteten Viehe / unterm kothigten Eingeweide stund: Da ich kaum für Rauch konte leben; Da ich mehr tranck als ich vertragen / und mehr aß / als ich verdauen konte: Ja was ich gespeyet / fraß ich offt wieder / und wann ich voll und truncken war / lag ich offtmahls in meinem eigenen Koth und Unflath / wie mit Leim besudelt. Jetzund liege ich in der kalten Schwemme bey Sommers-Tagen / und ergetze mich /wann mir heiß ist / mit dem Geruch / welchen viel Weiber begehren und suchen / und gern vorlieb nehmen. Endlich / daß mein Speck verzehret werde /davon weiß ich nichts / wann ich todt bin. Besser ist es ja / und lieber höre ichs / daß mein Herr meiner geneust / als daß ihr Menschen von Schlangen und bösen Würmern gefressen und verzehret werdet. Die weisen Indianer wusten ihren Eltern kein besser Begräbniß zu thun / als daß sie sie auffrassen / und verhüteten / daß sie nicht verfauleten / noch die Würme in ihrem Blut wühleten. Damit ichs kurtz mache / ihr Menschen seyd mehrern[290] Unglück unterworffen als wir / derwegen laß mich zufrieden / dann ich habe deines Erinnerns nicht nöthig.


Eine Sau ist ein unflätiges Thier. Viel wissen und lernen macht nur viele Sorge / und gemeiniglich aufgeblasen: Säuffer und Fresser seynd ärger denn die Schweine.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 288-291.
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