100. Der Weiber vielgeliebte Märtyrer.

[509] So mag man billig nennen das in aller Welt wol bekannte / und von den Weibs-Personen meist gelobte und geliebte Kraut / welches Flachs geheissen wird. Des Flachses Grösse / Länge / Schwere und vielfältige Pein und Marter / ist vom hochgelehrten Mann Hermann Bock ordentlich erzehlet in seinem Kräuter-Buch / sehr lustig zu lesen / und mit folgenden Worten beschrieben:

Der Flachs ist ein gemartert Kraut in Teutschland der den Reichen und Armen / den Armen zur Nothdurfft / den Reichen zur Wollust / ja den Edlen / Fürstinnen[509] und Gräfinnen keine Schande damit zu kurtzweilen. Die Plage und Marter des Flachses ist unzehlbar. Erstlich mit ropffen und reiffen: Dann schwerlich erträncket werden: Darnach auf der Heyden gedörret: Von neuen gedroschen und geschlagen werden: Dann muß er sich lassen zerbrechen und schwingen. Von dieser Marter muß er durch die Stacheln der Igel oder Hecheln geschleifft seyn / nach dieser Plag verbindet man ihn eine Weile / thut ihn wieder auf / zeucht ihn von einander / hencket ihn an den Galgen des Rockens / da wird er geküßt / gelecket / und durch die Finger gezogen / wieder aufgewickel / schnaps abgehaspelt.

Darnach von neuem mit sieden und braten gequälet / ins kalte Bad vom warmen geführet / wiederum gehencket / gedehnet / und mit Kolben gebläuet / über den Stock geleget / mit umtreiben auf runde Kugeln gewunden / abgespulet / ausgestrecket. Alsdann durch die engen Strassen der Weber-Geschirr geführet / in ein Verbündniß geknüpffet / mit Fluchen und Schelten durch einander gewebet.

Noch ist er dem Unfall nicht entrunnen / muß allererst von den Schneidern und Näherinnen zerschnitten und zerstochen werden.

Kommet er dann nach der Marter zu den Ehren / eilends beklagen sich die krancke gute Töchter / und allerley Gesinde / die wollen allesammt seiner nicht entbehren / da wird er zu Windeln / zu Pflastern / und zuletzt zu Arschwischen gemacht. Und so jederman vermeynet / es sey gar mit ihm aus / kömmt er doch nach aller Unehr herfür / doch nicht ohne Plagen der Wassermühlen / in derselben wird er zerschnitten /getreten / gestampffet /[510] erträncket und gehencket /Hoch und Nieder begehren alsdann seiner von neuen.

Er wird gehorsam dem Käyser und Hirten / zu Lande und auf dem Wasser / zu Nutz und Schaden /wie man ihn gebrauchen will.

Der Tod und Absterben geschicht ihm vom Feuer und Mäusen / die fressen ihn gar. Als muß der gute Flachs / und was seines Geschlechts ist / umkommen.

Den Nutz und Schaden dieses Krauts / Saamens und was davon kömmt / zu beschreiben / ist keinem Menschen möglich / dann ohne Zweiffel kein Kraut auf der Erden ist / das mehr gebraucht wird / als Flachs und Hanff. Von diesem Handel hat Plinius geschrieben in dem neunzehenden Buch am ersten Capitel.


FINIS

III. CENTURIÆ.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 509-511.
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