14. [378] Clæliæ einer Römischen Jungfrauen behertzte und Männliche That.

Wie der berühmte Kriegs-Fürst aus Etruria der Porsenna, die Stadt Rom belagert hielt / und man auf beyden Seiten etlicher Sachen halber tractirte / seynd dem Porsennæ von den Römern zu Geisseln gegeben und überantwortet worden 10. Knaben / und 10. Jungfrauen / welche in des Porsennæ Läger alle wohl und ehrlich gehalten worden. Den Jungfrauen ward frey gegeben / auf gewisse Zeit ans Wasser zu gehen und sich zu baden. Eines Tages spatzierten diese 10. Jungfrauen etwas ferne vom Läger an einen Fluß /und eine unter ihnen / Clælia geheissen /[378] überredet die andern / daß eine jegliche ihr Hembde ums Haupt wickelte / und sich bemühete den Fluß hinüber zu schwimmen / wieder nach Rom zu. Es war aber der Fluß trefflich breit / und hatte überaus tieffe Schlünde: Das Wasser schoß schnell wie ein Pfeil / und war wegen vieler Wirbel überaus gefährlich zu schiffen. Diß alles ungeachtet / habens gleichwol die Jungfrauen gewagt. Clælia ist voran geschwummen / also /daß sie endlich alle mit grosser Arbeit und Gefahr hinüber kommen / und wieder in Rom zu den Ihrigen gelanget. Die Römer / wie sie solches gesehen / haben sich zwar über die grosse Mannheit und Hertzhafftigkeit dieser Jungfrauen zum höchsten verwundert: Seynd aber mit der That selber nicht zufrieden gewesen / weil sie nicht gesinnet noch gewohnet / ihren Glauben zu brechen / und nicht zu halten. Wurden derohalben die Jungfrauen alsbald wieder aus der Stadt geführet / und dem Porsennæ zum zweytenmal ins Läger überantwortet. Porsenna erstarret über die Tugend und Keckheit dieser Weibsbilder / fraget / welche unter ihnen die Angeberin und Ursache gewesen wäre dieser Flucht? Clælia unerschrocken antwortet alsbald: Sie hätte es den andern gerathen / und wäre voran geschwummen. Da hat Porsenna ein schönes köstliches Pferd herbringen lassen / und solches der Clæliæ verehret / anzuzeigen / daß ihr Hertz mehr Männlicher Tugend hätte / als Weibischer Art wäre. Solches hat auch die Römer bewogen / daß sie in der Stadt Rom ein ehrnes Bild in Lebens-Grösse der Clæliæ ähnlich auf einen ehrnen Pferde sitzend aufgerichtet / zum ewigwährendem Gedächtniß der geschehenen That.


[379] Das Weibliche Geschlecht ist eben so wohl als die Männer / mit Tugend / Weißheit und löblichen Thaten begabet und gezieret / und was solte jenen mehr mangeln als diesen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 378-380.
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