22. [391] Prometheus.

Prometheus wird vom Ovidio im ersten Buch der Verwandelung / vom Hesiodo in der Götter Geburt /vom Horatio in den Gesängen / gehalten und ausgeschrien für den ersten Menschenmacher. Dann sie geben für / daß / als noch keine Menschen auf Erden gewesen / er einen Klumpen Töpfferlehm genommen /und gar künstlich aus demselben formiret Menschen-Bilder / (die hernach lebendig worden /) denen hat er jeglichem eine besondere Natur / Art und Eigenschafft eingegossen: Einem die Furchtsamkeit der Frösche: Einem andern die Narrheit und Poßirlichkeit der Hasen: Diesem die Listigkeit der Füchse: Jenem den Ehrgeitz der Pfauen: Einem andern die Grausamkeit der Tiegerthiere: Diesem den Grimm der Löwen. Dannenhero es gekommen / daß so unterschiedliche Complexionen und Eigenschafften der Menschen seyn / nemlich daß etliche hasiren / etliche gern im Nassen seyn / wie die Frösche: Andere hoffärtig und aufgeblasen / wie die Pfauen; Andere grimmig und böß wie Löwen und Bären und so fortan. An dem Prometheo tadelt diß insonderheit der Poet Propertius im 3. Buch / daß er zwar dem menschlichen Leibe leibliche Affecten und Zuneigung angethan und gegeben / aber die Seele leer und loß gelassen / bloß aller Wissen schafft und Gaben.[391] Wie solches der weise Aristoteles beklaget / sagend: Die Seele des Menschen sey gleich einer Schreib-Tafel / darein gantz nichts gezeichnet /und der Mensch bringe nichts in seiner Vernunfft mit auf die Welt / als nur eitel Mangel und Bresthafftigkeit.

Ferner wird vom Prometheo erzehlet / er habe auf einmal zween Ochsen geschlachtet / denenselben die Häute abgezogen / das Fleisch von allen Knochen abgeschnitten / und jegliches besonder gelassen: Hernach in die eine Haut die Knochen genehet / und verborgen in die andere das Fleisch: Selbige zwo Häute dem Gott Jovi dargereichet und mit dem Beding geopffert / daß er eine davon erwehlen / und für sich behalten solte. Jupiter hat gar wohl des Promethei Betrug gemercket / und aus eignem Willen und Vorsatz die Haut / darinn die Knochen verborgen / erwehlet: Darüber Prometheus gefrolocket / und den Jovem beschimpffet. Er aber Jupiter hat dem menschlichen Geschlechte zur Straffe das Element des Feuers von der Erde weggenommen. Prometheus nicht faul / wendet so viel Fleiß an / daß er nahe zur Sonnen kommt / und stecket etliche dürre Reiser bey deroselben Strahlen anbringet also das gestohlene Feuer wieder auf Erden und giebts den Menschen. Diese freventliche That hat Jupiter also gestrafft / daß er erstlich dem Prometheo das Weib Pandoram, mit der unglücklichen Büchse zugeschicket: Und / wie er dieselbe verachten ihn den Prometheum anderwerts durch den Mercurium an den hohen Berg Caucasum mit eisernen Ketten anschmieden lassen / und einen Adler gefodert / der immer fort und fort des Promethei Leber wegfressen müssen /welche allezeit wieder neu gewachsen.


[392] Prometheus ist ein Spiegel und Vorbild eines weissen und vernünfftigen Menschen / der sich um das menschliche Geschlechte wol verdienet gemacht / ihnen gute Künste offenbahret und gelehret / für Lastern und Ubelthat sich hüten / aber gemeiniglich mit Undanck am Ende belohnet wird.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 391-393.
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