21. [389] Pandoræ Büchse.

[389] Die Griechischen Poeten / Hesiodus, Apollonius und andere / haben ein Mährlein erzehlet von der schönen Pandora, welches also lautet: Als Prometheus, einer aus des Japeti Geschlechte / dem Gott Jovi das Feuer aus dem Himmel gestohlen / und den Menschen zugebracht / hat ihn Jupiter wiederum das einträncken /und solche Ubelthat vergelten wollen / derohalben dem Schmiede-Gott Vulcano ein schönes liebliches Weibesbild zu verfertigen anbefohlen / welches er denn auch gethan / und daß war also / daß zuvor dergleichen Creatur niemahls gewesen. Dahero alle Göttinnen zugelauffen / und diese schöne Frau beschauet / auch dergestalt beliebt / daß eine jegliche sie mit etwas begabet: Venus hat ihr geschencket die Lieblichkeit: Juno, Reichthum: Minerva, Weißheit: Suada, Beredsamkeit / deßwegen sie auch ihren Nahmen bekommen / und Pandora das ist / alle Gaben geheissen worden. Dieser Pandora hat Jupiter eine Büchse gegeben / und nachdem er alles Unglück und Ubel / das man erdencken mag / darein gegossen / hat er die Büchse zugemacht / und der Pandora befohlen / damit nach Prometheo zu spatzieren / und selbige als eine köstlich Geschenck / ihm zu verehren. Solches wird ins Werck gerichtet / aber Prometheus hat die Gabe nicht wollen annehmen / sondern dieses Weib angeschaffet. Pandora verfüget sich mit ihrer Büchse nach Epimetheo: Dieser nimmts zu Danck an / wie er aber den Deckel aufmacht / siehe / da fleucht alles Unglück und Böses mit grossem Ungestüm heraus / das zerstreuet sich hin und wieder in der Welt /und bedecket den ganzen Erdboden / wie bey nahe alles hinaus / hat Epimetheus kaum den Deckel wieder zugemacht / und ist oben an dem Rande allein die Hoffnung sitzen blieben.


[390] Pandora ist nichts als die Sünde / welche alles Böses und Unglück in die Welt bracht. Ob sie wol von aussen schön gleisset / und den Menschen lieblich vorkömmt / verbirget sie doch hinter sich ein Hauffen Ubels: Eitel Verderben / Untergang und ewige Quaal. Glückselig ist der / und ein weiser Prometheus, der sie nicht annimmt / und ihr weder statt noch Raum giebt. Ein fürwitziger Epimetheus wird nach der That Leid und Reu genug empfinden.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 389-391.
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