20. Der Erdkugel Umkreiß und Grösse.

[387] Wann man die gantze runde Kugel / vom Erdreich und Meer oder Wasser zusammen gesetzet / darauf wir Menschen und alle Thiere ihren Aufenthalt haben / gegen das Firmament der Sternen hält / und vergleichet / so ist sie nicht grösser als ein Sandkörnlein. Dann eines von den allerkleinesten Sternlein des Himmels / welches zur Nacht kaum kan gesehen werden /ist vielmahl grösser / als der gantze Erdenkreiß / und scheinet doch so klein / wie viel kleiner würde die Erdkugel scheinen / wann einer am Firmament stehen und herunter schauen könte. Obwohl aber in Ansehen des Himmels / die Erde so gar nichts oder gering / so ist doch gegen uns Menschen zu rechnen / weit / breit und groß genug. Was erstlich anbetrifft die Länge vom Niedergang biß zum Aufgang der Sonnen / von einem Punct anzufahen / und rund um die Erdkugel zu gehen / biß wieder an denselben Punct: Oder (welches gleich) vom äussersten Mittage biß nach dem Norden und Mitternacht / gleichfalls um und um / so haben die Erfahrnesten und Weisesten unter den Geographis befunden / daß solcher Umlauff in einem Circul der Erden halte 5400. teutsche Meilen. Dann weil ein grosser Circul rund um die Erdkugel gezogen / von den Meistern der Stern-Kunst getheilet wird in 360. Theile oder Grad / als hat man aus ohnfehlbarer Erfahrung befunden / daß ein jeder Grad sich erstrecke in die 15. Meilen / derohalben thun 360. Grad 5400. Meilen. Ferner / wann eine teutsche Meile hält 4000. Schritt / kömmt der gantze Umkreiß der Erdkugel /21600000. Schritt / ein Schritt aber hält fünf Schuh /[388] wird der Umkreiß der Erden 208000000. Schuh lang /und so fort an.

Fürs ander / von der Tieffe der Erden zu reden / wie weit es sey von unsern Füssen / oder von dem Ort /darauf wir stehen / biß zum Mittel-Punct / das ist zur innerlichster Tieffe / am allerweitesten vom runden Umkreiß / ist solches auch leichtlich zu wissen / wann der Umkreiß bekannt. Aus unserm befundenen Umkreiß / 5400. Meilen / befindet sich die Tieffe der Erdkugel biß zum Mittelpunct 859. und ein eilfften Theil teutscher Meilweges. Es wird von vielen dafür gehalten / daß im gedachten finstern Mittel-Punct der Erden / die Hölle / das ist der Verdammten Seelen Herberge sey / die dann nicht nöthig haben / eine so grosse Reise zu Fuß oder Pferde zu thun / sondern fahren hinab in Augenblick / von dannen keiner ans Licht dieses Lebens wieder kommet. Es ist nur eine erdichtete und Griechische Lügen / was Plinius l. 2. c. ult. von Dionysiodoro schreibet / daß nach dessen Tode man in dem Grabe / darein ihn seine Verwandten bestattet / einen Brieff gefunden / welchen er Dionysiodorus aus der Höllen an die Lebendigen auf Erden geschrieben / und darinnen angezeiget / daß von dannen biß zu uns wären 24000. Sradia, das ist /2312. und eine halbe Meile: Hat also der gute Dionysiodorus gar zu einen weiten Umtritt gekommen /denn er viel näher zur Herberge hätte gelangen können.


Aus Menschen düncket alles Irrdische in unsern Augen groß und prächtig / da es doch gegen den Himmel / und das Ewige kaum zu Stäubichen ist: Nach diesem solten wir uns sehnen / und jenes fahren lassen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 387-389.
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