19. Des [386] Apollinis viereckicht Altar in Delo wird verdoppelt.

Bey den Historicis hin und wieder wird gedacht / daß in Griechenland auf eine Zeit eine schreckliche Pestilentz sich erreget / dadurch viel tausend Menschen hinweg gestorben. Da haben die in der Insul Delo ihren Abgott dem Apollinem gefraget / (der allda ein viereckicht Altar / einem grossen Würffel gleich / gehabt / und geweissaget /) was sie thun solten damit sie des Unglücks entfreyet würden? Woran ihnen Apollo zur Antwort geben: Sie solten sein viereckicht Altar in Delo verdoppeln oder noch ein so groß machen / so würde die Pest aufhören. Hierauf haben die Delii eben einen solchen Altar / als des Apollinis war / verfertiget / von gleicher Grösse und Gestalt und denselben oben auf den andern gesetzet / in Meynung / sie hättens gar wol getroffen / und den Altar nun doppelt gemacht / oder aber / wie Plutarchus es dafür hält /[386] im Büchlein vom Abgott Socratis, haben die Delii jegliche Seite des Altars doppelt genommen / und so ein neues viereckichtes Werck daraus verfertiget. Nichts desto weniger hielt die Pest eben starck an / und war keine Enderung zu spüren. Der Apollo ist deßwegen abermal um Rath gefraget worden / welcher geantwortet: Sie hätten seinem Befehl noch kein Genügen gethan / dann auf diese erste Art hätten sie keinen viereckichten Altar / sondern ein länglicht Werck einem Pfeiler gleich gemacht / oder (auf die andere Art) hätten sie es nicht verdoppelt / sondern achtmal vergrössert / sie soltens nur messen / so würden sie befinden / daß der neue Altar achtmal grösser als der vorige wäre. Nun wusten diese Leute ihnen selber nicht zu rathen / massen sie der Geometrey gantz unerfahren / verfügten sich derowegen zum Platone, damals berühmten weisen Manne zu Athen / fragten den / wie des Abgotts Meynung zu verstehen sey? Plato antwortet: Es sey eben des Apollinis Meynung nicht /oder / Apollo frage so groß nicht nach dem doppelten Altar / als daß er den Deliis, und allen Griechen befehle / daß sie von dem stetigen Kriegen und Streiten abstehen / und an derer statt die Wissenschafft und guten Künste lernen / und sich deren befleißigen solten / dann es sey unmüglich / ein viereckiges Werck zu einen Cubum oder Würffel) doppelt zu machen /wo man nicht, der allersubtilesten Mathematischen Künste Wissenschafft und Erfahrenheit habe.


Was den Deliis gemangelt hat / das mangelt heut dem meisten Theil der Menschen / man begiebt sich auf unnöthige / ja schädliche Wege / und die herrlichen Künste der Weißheit und Erudition lässet man fahren: Daher kommen dann auch Plagen und Straffen über Land und Leute.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 386-387.
Lizenz:
Kategorien: