23. [393] Oracula, oder Weissager-Götzen der Alten.

Bey den Heyden vor Christi Geburt / hat der Teuffel nicht allein hin und wieder seine getreue Diener und Schüler gehabt / sondern auch seine eigene Kirche /Altare und Gottesdienste: Ja hat leibhafftig denen Menschen / die ihn um Rath gefraget / und gegenwärtige / ungewisse oder zukünfftige neue Dinge wissen wollen / von Mund zu Mund geantwortet / wenn sie ihn gefraget. Daher man solche Ausrede oder Antwort Oracula genennet. Unter allen Weissager-Geistern /oder Götzen / ist der zu Delphis der berühmteste und fürnehmste gewesen: Daselbst der Teuffel ein vierecket Altar gehabt / darauf ein Bildniß Phœbi oder Apollinis gestanden / und nicht ferne davon ein güldener Dreyfuß: Wann nun zweiffelhafftige Sachen fürgefallen / oder wann man zukünfftiger Dinge Ausgang wissen wollen / ist man von allen Orten dahin gelauffen / und hat das Oraculum beym Dreyfuß gefraget: Welches dann auf die gegebene Frage Antwort zu geben nicht faul gewesen / die dann dermassen von den Leuten angenommen / und vor so wahr und gewiß gehalten worden / als wanns GOtt vom Himmel selbst geredet hätte. (Dahero die Lateinischen Sprüchwörter: Quasi ex tripode dictum, oder Oraculi instar.) Unterdessen aber ist nur eitel Betrug gewesen: Dann die gegebene Antwort also dem Teuffel auf Schrauben gestellet gewesen / daß[393] sie so wohl für den Frager / als für den Gegentheil hat können verstanden und ausgedeutet werden. Zum Exempel: König Crœsus wolte einen Krieg anfahen und angehen: Er fragete den Phœbum zu Delphis wie es damit ablauffen würde: Darauf hat der Teuffel geantwortet:


Crœsus Halym penetrans magnam pervertet opuvim:


Bringt Croesus übern Fluß Halyn sein Zeug und Sachen /

Er wird gewiss groß Gut und Volck zu nichte machen.


Das hat Crœsus auf seine Seite gedeutet / als wann er den Feinden würde Abbruch thun. Der Abgott aber hat ihn geäffet / und also verstanden und geredet: Daß Crœsus sein eigen Gut und Volck würde ins Verderben stürtzen / welches dann auch geschehen.

Als der Pyrrhus, König in Epiro, aus dem Geschlechte Æaci, die Römer bestreiten wolte / hat er gleichfalls vom selbigem Abgott zu wissen begehret wie es ihm in der Schlacht gehen würde? Darauf ist diese Antwort worden:


Ajo te Æacida Romanos vìncere posse:


Auf fürgebrachte Frag geb ich dir den Bericht:

Das Volck von Rom bezwingt des Æaci Sohn nicht.


Pyrrhus vermeynte / die Römer würden ihn nicht überwinden: Der Abgott aber meynete die Römer würden gewinnen; Aber der Pyrrhus nicht.

Des letzten Römischen Königs Tarquinii des Hofärtigen zwey Söhne / Tytus und Aruns wurden gesand nach Delphis den Abgott Apollinem zu fragen was die greuliche Schlange bedeutete / die aus der höltzernen Seule des Königlichen Pallasts herfür[394] gebrochen? Denen zween wurde zum Gefehrten mit gegeben Lucius Junius, den man sonst Brutum nennete. Diese drey fragten auch aus Fürwitz den Abgott / wer zu Rom nach des Königs Abgang regieren würde? Das Oraculum hat gesagt:


Die Götter werden den zum Regiment erheben /

Der von euch erst den Kuß wird seiner Mutter geben.


Titus und Aruns verstehen ihre eigene Mutter Tulliam: Lauffen geschwinde voraus dieselbe zu küssen. Der Abgott aber verstund unser aller Mutter / die Erde / welches der Brutus muthmassete / fiel nieder und kossete die Erde / und ward bald hernach / als Tarquinius aus Rom vertrieben / und die Könige ein Ende hatten / der erste Bürgermeister und Regent zu Rom.

Dieses Oraculum und, alle andere haben aufgehöret / wie der Hebräische Knabe / das ist / der Sohn GOttes JEsus Christus / in die Welt kommen / und des Teuffels Werck zerstöret.


1. Der Teuffel affet GOtt nach: GOtt hat im Alten Testament seinem Volcke zukünfftige Sachen verkündiget /wann sie ihn befraget / so hats der Teuffel auch thun wollen / die Menschen zu betriegen.

2. Der Teuffel ist von Anfang her ein Lügner und Betrüger gewesen / und bleibts auch noch.

3. Der den Teuffel um Rath fraget / wird geäffet und betrogen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 393-395.
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