27. Ob die neue Welt den Alten bekannt gewesen.

[400] Durch was, Gelegenheit vor 145. Jahren ohngefehr die neue Welt / America oder West-Indien von Christoph Columbo entdecket und erfunden worden / ist in vorigen Centuriis vermelden. Hier fällt die Frage vor: Ob nicht vor diesem die neue Welt den Alten auch bekannt gewesen? In der H. Schrifft lesen wir /1. Reg. 9. daß Salomo Schiffe ausgeschicket nach Ophir / (welche alle 3. Jahr wieder gekommen / und Gold mit sich gebracht / bey 420. oder als anderswo stehet / 450. Centner feines reines Goldes. Daß nun Ophir sey America gewesen / daher diese Schiffe gesegelt / haltens viel gelehrte Leute dafür / aus diesen Ursachen: Erstlich / weil die Schiffe ab 3. Jahr nur wieder kommen / so muste die Reise in fern abgelegene Oerter angestellet seyn: Ost-Indien ist[400] dem Salomon nahe gewesen: Nach dem Norden und Süden hat er keine lange Schifffahrt anstellen können. Ist derowegen zu schliessen / daß die Schiffe nach dem Westen gegangen / den fernen Weg zwischen Salomons Reich und der neuen Welt.

Zum andern ist kein Ort in der Welt reicher und überflüßiger von Gold / von Affen / von köstlichem Holtz und Steinen / von Helffenbein / Ebenholtz /(welche Salomon hat bringen lassen /) als die Länder in America, insonderheit Peru. Ich lasse einen jeden bey seiner Meynung bleiben: Meines Erachtens aber ist Salomonis Ophir viel ein ander Land als America, und seynd die gedachten Schiffe niemaln in die neue Welt kommen: Die Länder / da sie das Gold und andere köstliche Sachen geholet / können keine andere seyn / als Ost-Indien / die dem Salomoni bey der Hand und nicht ferne abgelegen gewesen / und da er aller theuerbahren Sachen hat genug und über genug können theilhafftig werden: Es stehet nicht in der Bibel / daß Salomons Schiff so eine lange Reise gethan / daß er 3. Jahr damit hat zubringen müssen /sondern daß es in 3. Jahren einmal etwas mit sich gebracht / oder (wie solches zu schliessen) daß er ums dritte Jahr ist ausgefahren / weil man sich in der Zeit genug hat versehen und versorget befunden. Das andere belangend / ist von America mit Gold und Silber wohl versehen / aber Ost-Indien / bevorab China zu Salomonis Zeiten ja noch jetzund viel besser und mehr. Des Ebenholtzes und Helffenbeines hätte Salomon aus America wenig / oder ja nichts bekommen können: Dann diese Dinge allda nicht gefunden werden / sondern häuffig und in grosser Menge in Ost-Indien. Ich[401] wolte sagen / Salomon hätte thöricht gethan / wann er das Schiff nach America geschickt. Dann es unmüglich dahin zu kommen / wann nicht gantz Ost- Indien vorbey gesegelt / gantz China vorbey durch das gantze grausame Meer / von so viel tausend Meilen / gantz Africam um / und so fort über die Atlantische See nach dem Westen: Dann vom rothen Meer /(darbey Jerusalem gelegen) kein ander Weg zu Wasser offen stehet / als der / so jetzt gesagt. Wäre es nicht eine grosse Thorheit / die meiste Welt umzusegeln / zu holen die Dinge / die man besser und überflüßiger in der Nähe bekommen könte? Auch wäre es zu verwundern / daß solcher fürtrefflichen langen gefährlichen Reise / keine gewissere Nachrichtung wäre aufgezeichnet.

Nächst der H. Schrifft könte man den hochweisen Platonem anziehen / welcher in seinem Gespräch Timeus vermeldet / daß für seiner Zeit die Atlantische West-See nicht hat auf und ab (nach dem Süden und Norden) können besegelt werden / weil an der Strassen von Gibraltar anhänget ein groß mächtig weit und breit sich erstreckendes Land / welches grösser als Asia und Africa zusammen / und Atlantis geheissen: (Daher noch heutiges Tages das Atlantische Meer seinen Nahmen:) Dieses grosse Land sey durch eine schreckliche Sündfluth abgerissen / und sey das hohe Meer gegangen zwischen selbige Insul und diese von uns jetzt-bewohnte Welt. Aus dieser Beschreibung meynet man zu beweisen / daß die grosse Insul Atlantis nichts anders gewesen / als America, angesehen sie mit Platonis Beschreibung nicht uneben übereinkömmet. Hierauf gebe ich diß zur Antwort:[402] Wer Platonem lieset / wird leichtlich sehen und bekennen müssen / daß dieser Discurs von der Atlantide nicht ist nach den Buchstaben zu verstehen / sondern verblümter Weise / wie alle Platonische Ausleger es dafür halten. Sonst würde es gar eine läppische Rede seyn: Sintemal Plato damit eingemischet die Liebe Neptuni und der Clito: Ihre 5. doppelte Kinder zeugen: Einen Tempel 1000. Schritt lang / 500. breit /von eitlem Gold / Silber / Perlen / Helffenbein / etc. Wo findet man in einiger Historien solcher Sündfluth / die den gantzen andern Erdboden hätte nicht angerühret oder verletzet / sondern nur alles / dieses Theil überschwemmet im Augenblick / und solche eine unergründliche Tieffe gemacht? Kan also auch hieraus nicht dargethan und erwiesen werden / daß die neue Welt den Alten solte bekannt gewesen seyn.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 400-403.
Lizenz:
Kategorien: