28. Wie und durch was Wege die ersten Menschen und Thiere in die neue Welt kommen.

[403] Aus der Heil. Göttlichen Schrifft ist kundbar / daß alle Menschen-Kinder auf Erden anfänglich von Adam entsprossen und gebohren seyn. Ist demnach auch unleugbar / daß die Einwohner der neuen Welt von Adams Kindern und Geschlechte seyn. Darbeneben ist auch gewiß / daß alle lebendige Seelen auf Erden durch die Sündfluth umkommen und ersoffen /ausgenommen die / so mit Noah in die Arche gegangen. Nach geendeter Sündfluth hat sich die Arche Noä auf den Berg Ararat in Armenien niedergelassen / wie zu lesen im ersten Buch Mosis am 8. Cap. Daraus folget daß alle Menschen / alle Thiere auf Erden / herkommen und fortgebracht seyn[403] aus der Arche Noä /welche in dieser unserer alten Welt gestanden; seynd derohalben auch die Einwohner der neuen Welt so wol Menschen als Thiere zugleich mit aus Noä Kasten. Nun aber ist auch bekannt / daß America die neue Welt von dieser unserer alten Welt / durch eine grosse Klufft abgesondert ist / und zwischen beyden das grosse weite wilde Meer herfleußt / (dannenhero es auch kommen / daß so viel hundert Jahr die neue Welt den Unserigen ist unbekannt geblieben.) Weil dann unzehlich viel tausendmal tausend Menschen und Thier in der neuen Welt sich bißanhero aufgehalten / und dieselbe so ferne von der Unserigen Alten abgelegen / wird nicht unbillich gefraget / durch was Wege? Aus welchem Fürsatz? Auf was Art und Weise? Nicht allein die Menschen / sondern auch die unvernünfftigen Thiere / aus dieser unser Welt in die Neue kommen? Wie sie haben ein so grosses / ungestümes / gefährliches Meer überschiffen können? Wer ihr Führer gewesen? Was sie für Mittel gehabt / solches zu verrichten? Nicht gläublich ists / daß ein neuer und sonderlicher Kasten Noä bey ihnen gewesen / und nach der Sündfluth bestehend blieben / daraus die Americaner ihren Ursprung genommen. Hiervon haben wir keine Nachrichtung in der Bibel. Auch ists nicht glaublich / daß ein Jovialischer Adler kommen / und die Menschen gleich den Ganymeden durch die Lufft in die neue Welt geführet / oder wie das geflügelte Pferd Pegasus den Perseum: Oder auch wie die Nereides und Trithon ihre Buhlen aufm Rücken durch die See getragen. Solch Fabelwerck lassen wir den Poeten. Ferner ist auch nicht glaublich / daß GOtt der HErr durch einen[404] Engel dieselbe habe hinein bringen lassen / wie dem Propheten Habacuc geschehen. Wir reden allhier nicht von der Allmacht GOttes / sondern von den menschlichen Mitteln.

Wofern wir unserer Vernunfft folgen wollen / müssen wir setzen / daß Menschen und Thier in Americam kommen / entweder zu Wasser in Schiffen über die See: Oder aber zu Land durch Stege und Wege: Wo sie zu Wasser gegangen / muß solches geschehen seyn / entweder unversehens durch Ungewitter / oder aber aus Vorsatz und vorbedachtem Rath und Willen: Eins von diesen dreyen muß geschehen seyn / nemlich 1. zu Wasser ohngefehr / oder 2. zu Wasser aus Vorsatz / oder 3. zu Lande.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 403-405.
Lizenz:
Kategorien: