50. Wie / und worauf die Alten geschrieben haben?

[439] Viel eine andere Art im Schreiben haben die Alten gebrauchet als wir heute zu Tage. Anfangs hat man höltzerne dünne gehobelte Bretteln oder Täfflein gemacht / von Büchen / Buchsbäumen / Linden und dergleichen Holtze / und dieselbe mit Wachs überzogen: Darauf mit einem Eisern und Elffenbeinen / oder Buchsbäumen Griffel geschrieben: Hernach einen Leinen Faden herum gebunden / und denselben mit anderm Wachs / (wie noch bey uns gebräuchlich) fest gemacht / und mit einem Petschafft versiegelt / und so fort gesandt. Dahero die Boten / welche diese Täfflein weg getragen / Tabellarii genennet werden. Solches ist klärlich zu ersehen aus des Plauel Comœdien hin und wieder / insonderheit aus der / welche vom Esel ihren Nahmen hat / Act. 4. Sc. 1. da diese Wort gelesen werden: Sie soll auch in ihrer Kammer kein Wachs haben / darauf sie Briefe schreiben konte. Und in den Bachid. Bring her den Griffel / das Wachs /das Täfelein und Flachs. Da denn alle vier Dinge ausdrücklich genennet werden / die zum Brief-Schreiben seynd gebrauchet worden. Bald darnach stehet auch: Nimm den Griffel und das[439] wächserne Täfelein / und schreib schleunig. Abermal: Gib her das Wachs und den Flachs / bind zu / und versiegle es. Das solche Art auf höltzerne Tafeln zu schreiben schon lange vor Plauto gebräuchlich gewesen / ist zu lernen aus dem Homero, bey welchem im 6. Illiad. der Prætus dem Bellerophonti einen Brieff schicket / auf ein solch Tafelchen geschrieben. Diese wächserne Schreibtafel konten sie offt und viel gebrauchen: Denn sie machten das Wachs warm / und vertilgten also die eingedruckten Buchstaben / und schrieben etwas neues drauf.

Weil es aber mühselig fiel mit diesen Tafeln / so nahmen sie hernach die Rinde von den Bäumen / falteten die artig zusammen / und schrieben darauf mit einem spitzigen Eisen / daher seynd die Bücher Libri genennet worden / (denn Liber heißt die Rinde vom Baume) oder Codices vom Stammen. Dieser Dinge hat man sich gebrauchet biß auf Alexander des Grossen Zeiten. Als dieser Held die Stadt Alexandria in Egypten bauen ließ / ward daselbst beym Fluß Nilo ein Kraut gefunden / Nilotisch Papier genannt / welches sich mit einer spitzigen Nadel zertheilen ließ in unzehlige viele dünne Blättlein / dieselben hat man häuffig gesammlet / zusammen genehet / Bücher davon gemacht / und dann aufgeschrieben. Von diesem Gewächse hat biß auf diese Stunde unser Papier seinen Nahmen behalten. Die Völcker aber / so dieses Papiers nicht konten theilhafftig werden / haben Blätter von andern Bäumen genommen / wie dann beym Virgilio im 6. Buch vom Ænea weitläufftig zu lesen /auch hat die weise alte Sibylla auf Palmblätter ihre Vers geschrieben / oder auch (welches Herodotus vermeldet im 5. Buche) anstatt[440] des Papiers die abgeschabte Felle oder Häute von Schaafen und Ziegen gebrauchet.

Letzlich ist eine gantz andere Art Papier aufkommen / welches zugerichtet wird / wie jedermänniglich bekant / von alten leinen Lumpen / oder (wie es die Chineser bereiten von Seidenen.) Zu welcher Zeit solch herrlich und nutzlich Werck erstlich erfunden /und von weme / ist niemals bekant worden / und von keinen Menschen / so viel mir bewust / erwehnet oder aufgeschrieben. Es sind etliche in der Meynung / daß die alte Sibylla habe für so viel tausend Jahren von dieser neuen Art Papier geweissaget / und verkündiget / dergestalt / daß der Sohn des Verderbens (der Pabst) solte gestürmet werden durch den Flachs / das ist /durch die Bibel und andere geistreiche Schrifften /aufs Papier häuffig gedruckt. Das ist etwas von der Materie darauf man schreibet.

Die Art belangend / ist dreyerley. Die älteste ist der Hebreer / welche von der rechten Hand nach der Lincken geschrieben / gleichwie der Himmel von Aufgang täglich gehet biß zum Niedergang. Die andere ist der Griechen und Lateiner / geschicht von der Lincken nach der Rechten zu / wie die Planeten gehen ihren eigenen Lauff / von Westen nach Osten. Derselben wir teutschen uns auch gebrauchen. Die dritte ist vormahls bey den Einwohnern der Glückseligen oder Hunds-Insulen gemein gewesen / welche oben angefangen und gleich unter sich / durch eine gerade Linie ihre Buchstaben gestellet. Und wann sie gantz unten zum Ende kommen / wiederum von Unten in die Höhe gezogen. Haben der Elementen Bewegung hierinn gefolget / derer etliche / als Wasser und Erde unterwerts fallen / etliche als Feuer und Lufft in die Höhe fahren.


[441] 1. Schreiben ist eine grosse Gabe GOttes / und ein Geheimnis menschlicher Vernunfft. 2. GOtt ist der erste Schreiber gewesen / der mit seinen Fingern in steinern Tafeln das Gesetz gezeichnet. 3. Ein jegliches Ding hat einen schlechten Anfang / die Zeit und der Fleiß macht es immer vollkommener.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 439-442.
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