56. [448] Castor und Pollux zween Brüder.

Jupiter hat mit seiner Beyfrauen Leda, Königs Tyndari Tochter / drey Kinder gezeuget / genannt Castor, Pollux und Helena, welche von ihrem Mütterlichen Großvater Tyndaridæ geheissen worden / und die Helena Tyndaris. Von ihrem Vater aber Dioscuri, das ist / Jovis Söhne. Der Castor und Pollux seynd in ihrer Jugend wegen der Stärcke und Erfahrenheit im Ringen sehr berühmt worden / auch deßhalben mit dem Jason in Colchos gefahren / das güldene Fließ zu erobern; In welcher Reise diese zwey Brüder das Meer von vielen See-Räubern frey und sicher gemachet. Wie eines Tages diesen Argoß-schiffern ein grosses Ungewitter zugestossen / und der Orpheus zu den Göttern um Erhaltung des Schiffs und der Menschen Opffer und Gebet gethan / haben sich alsbald zwo Feuerflammen über den Häuptern der beyden Jüngling / Castor und Pollux, sehen lassen / und ist zur Stund das Meer stille worden / der Wind hat sich gelegt / und das Brausen der Wellen aufgehöret.[448] Dannenhero jedermänniglich in die Gedancken gerathen /als hätten die beyden Brüder Göttliche Krafft und Natur an sich / und hat man geglaubet / so offt man zwey Flammen überm Schiff gesehen / daß es Castor und Pollux sey / und gut Wetter mitbringe. So offt aber nur eine sich sehen lassen / sey groß Ungewitter vorhanden / und solche einfache Flamme die Helena, der beyden Brüder Schwester gewesen / welche in ihrem Leben groß Unglück wegen des Trojanischen Krieges angerichtet.


Solches ist ein Aberglaube und falsche Einbildung: Die warhafftige Ursache der zwey Flammen / und warum die gut Wetter bedeuten / aber eine gemeiniglich Ungewitter mitbringe / wissen die Naturkündiger zu geben.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 448-449.
Lizenz:
Kategorien: