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Scylla, wie die Poeten dichten / ist des Phorci Tochter gewesen / eine sehr schöne Dirne / und von dem Glauco (der Circe Buhlen) dermassen geliebet / daß er die Circe verlassen / und sich an die Scyllam gehängt / und mit derselben Liebe gepflogen. Solches hat die Circe verdrossen / und wie auf einmal die Scylla ihrer Gewohnheit nach / im kühlen Brunnen sich badete / hat denselben die Circe durch Zauberey also zugerichtet / daß der Scyllæ unterster Leib ist in ein grausam Thier verwandelt / und unterschiedliche Hundsköpffe / einen Fuchsschwantz / etc. bekommen: Darüber Scylla so unwillig worden / daß sie sich nicht fern[472] von Sicilia ins Meer gestürtzet / und die überschiffende Leute an sich gezogen / verträncket und gefressen. Gleich gegen diesem See-Monstro über ist ein anders gewesen / gleicher Gestalt / Charybdis genannt / auch vormals eine Jungfrau / und ebener massen also verwandelt. Also hat man mit Leib- und Lebens-Gefahr durch diese zwey Monstra vorbey segeln müssen / und wann man etwas fern von der Charybdi sich hat absetzen wollen / ist man der Scylla in den Rachen gefallen. Daher das Sprichwort:
Incidit in Scyllam, qui vult vitare Charybdim.
Wer vermeynt Charybdim, zu entfliehen /
Den kan leicht die Scylla an sich ziehen.
Konte derohalben niemand sicher durchkommen / der nicht gerade den Mittelweg segelte.
Scylla und Charybdis seynd nichts anders / als die Laster und Wollust / welche die Menschen verschlingen /und mit tausenderley Gestalt anfahren. Die Tugend stehet im Mittel: Wer der folget und anhanget / der kömmet unverletzt und ohne Schaden hindurch.