73. Lämmer wachsen wie Kräuter aus der Erden.

[476] Der Freyherr von Herberstein in seiner Moscowitischen Historien / wie dann auch Scalìger in[476] seinen Ubungen / Cardanus und andere mehr / erzehlen eine seltzame Art von Lämmern / welche nicht / wie sonst in der Natur gebräuchlich / von Schaafen gebohren werden / sondern aus der Erden wachsen / wie die Kräuter / und zwar in Tartarien oder Scythenland. Allda säet man einen Saamen / dem Melonen- oder Cucumer-Saamen gleich / in die Erde / daraus kömmt ein Gewächs / welches sie Boranets nennen / einem Lamme ähnlich. Der Stiel wächst gerade aus der Erden / und gehet dem Lamme in den Nabel: Das Lamm so bald es wächset / frißt alle Kräuter / so ihm nahe / und herum stehen / abe / und nimmt also zu: Wanns keine Weide mehr hat / oder erreichen kan /(weils fest am Stiele angewachsen /) so verdorret es /und stirbt: Welches es auch thut / wann man ihm sonst mit Fleisse die Kräuter umher ausräufft. Es hat recht Fleisch / von Geschmack wie Krebsenfleisch /hat ein Fell / Wolle / Füsse / Kopff / Ohren / ist ohngefehr 3. Fuß oder anderthalb Ellen hoch: Die Haut gebrauchen die Einwohner / und machen Mützen oder Hüte draus.


Ich lasse hievon andere disputiren / und erforschen obs möglich sey? Und auf was Art ein Thier könne auch eine Pflantze seyn? Daß bekenne ich frey heraus / daß viel in der Natur geschicht / welches uns Menschen gar seltzam fürkömmt. Die Natur regieret oder schicket sich nicht nach unserm Kopff oder Begreifflichkeit / sondern was wir in der Natur finden / davon müssen wir unsere Speculationes machen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 476-477.
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