79. In den unrechten Halß oder Kehle.

[484] Ob zwar wohl ein jeglicher Mensch / wie dann auch ein jegliches vollkommenes Thier / nur einen Halß und einen Kopff hat / so gehen doch aus dem Munde durch den Halß 2. Strassen hinunter in Leib / eine die Lufftröhr genannt / nach der Lungen zu / durch welche im Athemholen die Lufft gezogen wird / und daneben wann man trincket / etwas weniges vom Geträncke oder anderer Feuchtigkeit. Die andere ist die Speiseröhr oder Schlund / durch welche das Essen und Trincken in den Magen gehet. Diese beyde Röhren haben ihren Eingang im Munde nahe bey einander / und ist insonderheit die Lufftröhre mit einer eigenen Decke / die sich auf- und zuthut nach Gelegenheit /versehen / damit nichts trucknes oder widriges hinein falle. Wenns nun geschicht / daß entweder im Trincken etwas zuviel oder schleunig in die Lufftröhr kommet / oder im Essen etwas trucknes hinein stösset / so sagt man / es sey in den unrechten Halß oder Kehle kommen. Diß ist nun ein gefährlich Ding / und hat man sich wohl fürzusehen / daß man im Reden oder Singen (wann die Lufftröhr sich öffnet) nichts hinunter schlinge. Man findet unterschiedliche Exempel / daß auf die Art viel Menschen schleuniges Todes verfahren. Plinius im 7. Buch am 7. Cap. schreibet /daß der berühmte Poet Anacreon, wie er eine Weinbeer gegessen / eines von den kleinen Steinlein oder Kernlein in den unrechten Halß bekommen / und alsbald davon gestorben. Ebenmäßig sey der Rathsherr Fabius umkommen / welchem nur ein kleines Härlein / als er Milch getruncken / in die Lufftröhr gefallen.


Siehe / also geringe und bald ist es gethan um des Menschen Leben.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 484-485.
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