12. [19] Exempla der Träume / die nicht zu verachten.

Cicero und Valerius Maximus erzehlen einen wunderlichen Traum auf folgende Art: Zween gute Freunde aus Arcadia haben auf eine Zeit gewandert / und seynd nach Megaram kommen / unter welchen der eine nach seinem alten Wirth gangen / der ander ist in ein öffentliches Gasthauß zur Herberge eingekehret. Nun trug es sich zu / daß den / welcher bey seinem alten Wirth ware / däuchte im Schlaff / wie sein Gefährte ihn sehr bäte / daß er ihm zu Hülffe käme /denn er von dem Krüger mit Hinter-List würde überfallen. Er könte noch wol frey und errettet werden /wann er nur eilend werde kommen. Durch diß Gesichte ist er aufgewachet / aus dem Bette gesprungen / des Willens / er wolte sich nach dem Gast, Hause oder Kruge verfügen. Hat aber alsbald / wie er zu sich selber kommen / und sich erinnert / daß ihm nur geträumet / sich wiederum ins Bette verfüget / und schlaffen geleget. Aber siehe / alsbald kömmt ihm im Schlaffe wieder für sein Gefährte / sehr verwundert: Bittet ihn /weil er ihm im Leben nicht hätte wollen zu Hülffe kommen / so solte er sich doch nicht wegern / seinen Tod zu rächen / denn er wäre von dem Krüger ermordet / sein Leib auf einen Wagen mit Mist geleget /und nach dem Stadt-Thor geführet. Durch diese inständige Bitte seines Gefährten ist er bewogen / alsbald aufgewachet / nach dem Thor gelauffen / allda den Wagen angetroffen / eben wie ihm im Schlaffe war angedeutet worden: Seinen Gefährten tod darauf liegen gefunden / den Krüger[20] ergriffen und verklagt: Welcherauch alsbald zum Tode verurtheilet worden.

Einem andern träumete auf einmal in Italia, daß er von einem Marmorsteinern Löwen / welcher im Vorgang der Kirchen stunde / mit aufgethanen Munde tödtlich verwundet wäre / derselbe Träumer ist des Morgens in die Kirche gangen / und da er des Löwen Bilde angesehen / von welchen ihm geträumet hatte /hat er lachend seinem Mit-Gesellen den Traum erzehlet / und spottend / alsbald dem steinern Löwen seine Hand in dem Mund gestecket / sprechend: Nun beiß /du gewaltiger Feind / und so du kanst / erwürge mich. Als er diß kaum ausgeredt / siehe da wird er von einem Scorpion / welcher in des Löwen Munde verborgen lage / gestochen und tödtlich verwundet. Erfuhr also in der That / daß sein Traum nicht gelogen hatte.


Zwar die Träume betrügen gemeiniglich / doch treffen sie unterweilen ein.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 19-21.
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