14. Der Allemanns Tadler [23] Momus.

Der Momus ist ein solcher Mann gewesen / welcher zwar selber nichts gearbeitet und verfertiget / dennoch andere Götter- und Menschen-Wercke und Arbeit immer getadelt / und gemeistert. Insonderheit lieset man von ihm / daß er dreyerley habe getadelt.

Erstlich / daß GOtt und die Natur dem Menschen das Hertz im Leibe so tieff verschlossen / daß man nicht darein sehen könte / was für Gedancken der Mensch habe / und fürgegeben / es wäre viel besser gewesen / wann der Mensch wäre geschaffen worden mit einer gefensterten Brust / ein Fenster habend / dadurch man biß ins Hertze schauen könte.

Zum andern hat er getadelt am Ochsen / daß ihm die Hörner an den Kopff / und nicht forn an die Brust gesetzet wären: Dann wann er die Hörner an der Brust hätte / so könte er aus gantzer Macht des Leibs viel stärcker stossen mit den Hörnern / wie Aristoteles meldet / im dritten Buch von den Theilen der Thiere.

Zum dritten hat er getadelt / daß die Menschen ihre Häuser fest und unbeweglich an der Erden baueten /und nicht also / daß sie sie könten fortschieben / und an andere Oerter bringen / wann sie böse Nachbarn hätten. Nach diesem Momo werden alle dieselben Momi genennet / welche andere Leute nur reformiren / und[23] selbst nichts guts machen können. Es kommen auch von dem Momo viel Sprichwörter her / als: Vel ipso Momo Judice, wann man ein Ding gar wohl gemacht / also / daß es auch der Momus selbst nicht straffen könte. Item: Momo satisfacere, das hat eben dieselbige Meynung. Die Griechen haben ein solches Wort: ῥᾶον μομεἶϑὴ μιμεῖϑ, Das ist: Es ist viel leichter zu tadeln auf Momi Art / als nachzumachen.


Wie viel Momus-Brüder findet man noch heute / die anderer Leute löbliche Thaten reformiren / und selbst nichts taugen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 23-24.
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