16. Welches unter den beyden das mächtigste /Feuer oder Wasser?

[25] Die Chaldäer haben das Feuer für einen Gott gehalten / und die Egyptier das Wasser. Nun hat sich einmal ein Streit zwischen ihnen erhoben / welcher unter diesen beyden Göttern der Mächtigste wäre? Das Feuer oder das Wasser? Die Chaldäer haben gesagt / ihr Gott / das Feuer / wäre über alle Ding und Götter /denn es verzehret alles / und überwinde alles / daß auch kein Ding für ihm bestehen könte / welches von ihm nicht würde zu nichte und zu Aschen gemachet. Die Egyptier hielten es mit dem Wasser / und sagten: Das Wasser hätte solche Macht /[25] daß es nicht allein gantze Städte mit seiner Fluth ersäuffen / sondern auch die gantze Welt zu nichte machen könte / wie solches aus der Sündfluth zu ersehen.

Dieser Streit konte anders nicht aufgehoben werden / als daß diese beyde Völcker / ein jegliches seinen Gott aufstellete / zu sehen / welcher den andern überwältigen würde. Die Chaldäer haben ein groß Feuer gemachet / und begehret / die Egyptier möchten ihren Gott heran bringen / sie wolten sehen / ob ihn nicht das Feuer zu nichte machen würde? Da haben die Egyptier vom Leim und Erde einen grossen Topff / in Form eines Gottes / gemachet / voller Löcher / welche mit Wachs zugekleibet / und den Topff mit Wasser gefüllet / diesen Topff haben sie als ihren Gott dargestellet / mit dem Feuer zu streiten. Aus welchem / wie er ins Feuer gesetzet / und das Wachs zerschmoltzen /das Wasser häuffig durch die Löcher gelauffen / daß das Feuer gantz ausgeloschen. Also ist der Chaldäer Gott / das Feuer / von der Egyptier Gott / dem Wasser / überwunden und erlöschet worden.

Es haben die alten Väter für der Sündfluth gehöret und vernommen / daß die Welt würde durch Wasser und durchs Feuer untergehen. Haben derohalben zwo Seulen verfertiget: Eine von Leim / die andere von Ertz / und darein gegraben die Wissenschafft und Heimlichkeit der Astronomiæ, darinn sie (die Egyptier) sehr erfahren waren / weil in Egypten es nimmer regnet noch schneyet / sondern der Himmel immerdar klar und hell ist ohne Wolcken / und derhalben der Sternen-Lauff sehr bequemlich kan aufgemercket werden. Sie haben aber diese Seulen gemachet zu dem Ende / daß wann die Welt vergehen würde mit Feuer /[26] so solte die erdne Seule überbleiben unverletzt / (denn im Feuer wird die Erde nur fester und härter /) wo aber die Welt würde durchs Wasser untergehen / so solte die Seule von Ertz unverletzet überbleiben /(denn dem Ertz schadet das Wasser nicht.) Es erzehlet Josephus, daß zu seiner Zeit die eherne Seule noch sey vorhanden gewesen / und von ihm selber gesehen in Egypten / nachdem durch die Sündfluth die andere Seule war im Wasser verschmoltzen und verdorben.


Merckt allhie 1. Die grosse Blindheit der Heyden / welche Feuer / Wasser / ja Knoblauch / Zwiebeln / Katzen und dergleichen Dinge / für Götter gehalten und geehret. 2. Aus den zweyen Seulen ist zu sehen die Fürsorge und der Fleiß / den die Uhralten gehabt / in Fortsetzung guter Künste und Wissenschafft / damit dieselbige nicht untergiengen / sondern an die Nachkömmlinge gebracht würden.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 25-27.
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