22. Viel Menschen seyn gestorben / nicht vor Leid / sondern vor Freuden.

[34] Ich will euch jetzund zwey Exempel erzehlen derer Leute / die aus unversehener allzugrosser Freude des Todes verfahren seynd / welche Exempla bey dem Aulo Gellio zu lesen. In der Insul Rhodo wohnete ein gemeiner Bürger Diagoras, der hatte drey Söhne /unter welchen der eine war ein Fechter / der andere ein Ringer / der dritte ein Springer. Auf einen Tag wurden zu Athen angestellet die gebräuchlichen Streite / welche man nennete Olympios[34] ludos, in welchen alle drey Söhne des Diagoræ das beste thäten / und derhalben mit Kräntzen gekrönet wurden. Wie nun diese drey junge Gesellen zu ihrem Vater kamen /demselben um den Halß fielen / ihme auch ihre Kräntze auf sein Haupt setzten / darnebenst das Volck aus Frolocken viel schöne Blumen auf ihn zuwurffe / da ist der Vater mitten auf dem Platz / in Beyseyn und Gegenwart des gantzen Volcks / vor grossen Freuden schleunig gestorben.

Ferner / wie das Römische Volck und das Kriegs-Heer geschlagen ward bey Cannas, da war eine alte Frau zu Rom / der ward angesagt / daß ihr Sohn auch mit umkommen / dahero sie groß Leid getragen / dieses Geschrey aber war falsch / denn nicht lange her nach kam der junge Gesell nach Rom frisch und gesund aus der Schlacht. Die Mutter / wie sie ihres Sohnes also unversehens ansichtig worden / hat sie sich so hertzlich darüber erfreuet / daß sie alsbald todt zur Erden gefallen.


Noch Freude noch Traurigkeit soll man sich gar zu sehr zu Hertzen ziehen. Beydes zu viel ist ungesund.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 34-35.
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