3. Ein Gespräch des grossen Alexanders mit etlichen weisen Männern: Darinn unterschiedliche subtile Fragen.

[3] Wie Alexander Magnus in Indien kommen / ließ er etliche Gymnosophisten (welche waren kluge / spitzfündige Philosophi, gantz nackend gehend) zu sich fodern / und gab ihnen / sie zu versuchen und aufzutreiben / auf der Reihe etliche schwere Fragen für / die unauflößlich zu seyn scheineten.

Den ersten Gymnosophisten fragte er: Welcher von beyden der meiste Hauffe wäre / der Lebendigen oder der Todten? Derselbe antwortete: Der Lebendigen. Denn / sagte er / die Todten seynd nicht mehr.

Der andere ward gefraget: Welches die grössesten Thiere ernehrete / das Meer oder die Erde? Der antwortete: Die Erde. Denn / sprach er / das Meer ist nur ein Theil der Erden.

Der dritte ward gefraget: Welches das listigste Thier wäre? Der antwortete: Das / welches der Mensch noch nicht hätte erkennen lernen.

Der vierdte ward gefraget: Durch welch Mittel /oder auf was Art der Mensch von sich selber könte einen Gott machen? Der antwortete: Wann er etwas thut / das einem Menschen zu thun unmöglich ist.

Der fünffte ward gefraget: Welches das stärckeste und mächtigste wäre / das Leben oder der Tod? Der antwortete: Das Leben. Dann dasselbe fühlet / erträget und leidet so viel Unglück und Arbeit / davon der Tod nichts fühlet oder weiß.


Auf eine arglistige Frage gehöret eine arglistige Antwort. Mancher meynet einen andern aufzutreiben / läuffet aber mercklich an / und bekommet einen Bescheid /den er nicht erwartet hätte / wie dem Alexandro geschach.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 3-4.
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