35. Etliche wunderbare Arten von Menschen.

[56] Aulus Gellius meldet aus den alten Scribenten / daß die Scythæ, Völcker nach dem Norden hin wohnende / eben also Menschen-Fleisch essen / als wir Ochsen-Fleisch: Ja wol offtmahls rohe / ohngesotten: Daher sie genennet werden ἀνϑρωπὁφαγοι: das ist / Menschen-Fresser. Solches thun auch heut zu Tage der Americaner etliche / welche kein bessers Wildpret haben / als Menschen-Fleisch. Ferner / schreibet er /sollen daselbst in Scythia Menschen seyn / die nur ein Auge haben fornen an der Stirne / gleichwie Homerus erinnert / daß die Cycoples solche gewesen. Diese einäugige Leute heissen Arimaspi. Noch andere / sagt man / seyn daselbst / welche nur einen grossen Plat-Fuß haben: Andere / welche zwar zwey Füsse haben /aber hinter sich nach dem Rücken gekehret / gleich als unsere Füsse voran stehen. Diese Leute sollen gewaltig[56] schnell und fertig lauffen können. Dabeneben sollen auch andere Menschen seyn ohne Köpffe / die in der Brust Augen und Nasen haben / aber keinen Mund / ἄςομοι genannt / welche nur vom Winde leben. Andere / welche nicht grösser als eine Spann hoch seyn / den jährigen Kindern gleich / Pignæi genannt: Die sollen einen ewigen Krieg führen mit den Kranichen. Andere / die so groß seyn / als halbe Thürne / zweymal höher als die Männer dieses Landes. Letzlich sollen auch Weiber seyn / die durch ihr bloß Anschauen / nur mit den Augen die Leute tödten / vergifften / und um die Gesundheit bringen. Diese sollen in jeglichen Auge zwey Sünen oder Aug-Aepffel haben. Dieses alles wird zwar von den Historicis erzehlet / ist aber eitel Fabelwerck: Denn solche Leute nirgend auf der Welt zu finden / noch zu sehen seynd /ob schon zu dieser Zeit der gantze Erdkreiß ist besuchet / und also durchwandert von den Schiffern / daß kein Ort / da sie nicht solten gewesen seyn: Ausgenommen die Riesen oder grossen Leute / die seynd häuffig zu finden in Chili, einer Provintz Americæ: Item ausgenommen die Zäuberinnen / welche mit ihrem Gesichte die jungen Kinder vergifften / welches geschicht durch einen bösen Qualm / und schädliche Lufft / so aus ihrem Munde / Nasen / Augen und gantzem Leibe gehet: Davon der Poet Virgilius schreibet:


Nescio quis teneros oculus mihi fascinet agnos.


Es ist nicht ohne / man findet wunderliche Art Menschen / als wilde und zahme / schwartze und weisse / gar lange und hingegen ganz kurtze: Zu geschweigen der grossen Mißgeburten, die öffters an diese Welt kommen. Aber man muß wohl zusehen / was und wem man hierinn glaubet und trauet.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 56-57.
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