37. [59] Solon und Crœsus.

Solon, einer von den sieben Weisen aus Griechenland / ist auf einmal nach Sardos kommen zu dem sehr reichen und mächtigen Könige Crœso, von welchem er sehr freundlich empfangen. Und wie er etliche Tage allda verharret / hat ihm Crœsus durch seine Diener allen seinen Reichthum und Königlichen Schatz zeigen lassen. Wie solches geschehen / hat Crœsus den Solonem gefraget: Ob er auch je einen glückseligern Menschen gesehen? (Vermeynete nemlich / daß ers wäre;) Solon, der nicht gesinnet war einigem Menschen zu schmeicheln / antwortete: Er hielte [59] Tellum für den Glückseligsten. Crœsus verwunderte sich /fragte wer der Tellus wäre? Solon sprach: Tellus wäre ein Bürger zu Athen gewesen / der hatte viel wolerzogene Kinder nach sich gelassen: Und die hatten wiederum, andere Kinder: Und wäre Tellus eines herrlichen Todes gestorben / streitend für sein Vaterland. Crœsus ist fortgefahren und gefraget / welchem er die andere Stelle der Glückseligkeit gebe? Nicht zweiffelend / Solon würde ihn nun endlich nennen. Da sagte Solon: Nebst Tello wären die Glückseligsten Cleobis und Biton, zween Brüder / von welchen beyden er dem Crœso auch viel erzehlete. Da ist endlich Crœsus bestürtzt worden / sagende: Lieber Solon, deucht dich denn unser Wesen so gantz nichts seyn / daß du unsere Glückseligkeit auch nicht solchen Privat-Personen vorzeuchst? Hierauf antwortet Solon: O Crœse dieweil des Menschen Glück / so lang er erlebet / nicht allein alle Jahr / sondern alle Monat / ja alle Tage / ja alle Stunden sich vielfältig verändert /so achte ich nicht / daß ein einiger Mensch könne glückselig geschätzet werden / ehe und bevor er sein Leben geschlossen und geendet. Damit hat Solon vom Crœso Urlaub bekommen. Wie wahr aber dieses des Solonis Ausspruch gewesen / hat hernachmals Crœsus wol empfunden davon wir auch etwas vermelden wollen:

Nachdem der reiche König Crœsus mit den Persianern lange Zeit gestritten / ist er endlich überwunden /und gefänglich zu dem Cyro, der Perser Könige / gebracht worden. Da hat Cyrus einen grossen Hauffen Holtzes zusammen tragen lassen / den Crœsum mitten darauf gesetzet / und ihn also verbrennen wollen. Crœsus, ob er wol in grosser Angst gewesen /[60] so ist er dennoch eingedenck worden dessen / was ihm fürlängst Solon gesagt hatte; Nemlich / daß kein Mensch glückselig zu schätzen / ehe er sein Leben zum Ende gebracht. Hat derhalben mitten im Feuer mit lauter Stimme geruffen: O Solon! Solon! Dieses Ruffen haben des Königes Cyri Diener gehöret / und es dem Könige angemeldet: Der hat Crœsum fragen lassen /was er damit meynete? Crœsus hat geantwortet: Er hätte denselben Mann genennet / den er wünschen möchte / daß er alle Tyrannen anredete. Dann was er ihm vorzeiten gesaget / das gienge alle Menschen an. Hat also Crœsus dem Cyro erzehlet / was er vormals für ein Gespräch mit dem Solone wegen der Glückseligkeit gehalten. Cyrus hat in sich geschlagen und gedacht / er wäre eben sowol ein Mensch als Crœsus: Und Crœsus wäre eben sowol ein reicher / mächtiger König gewesen / als er. Hat sich derohalben / daß er den Crœsum also zur Straffe verurtheilet / reuen lassen / so bald darauf befohlen / man solte das Feuer auslöschen / und Crœsum beym Leben erhalten. Das Feuer aber hatte schon dermassen überhand genommen / daß mans nicht löschen können; Da ist wunderbarlicher Weise und unversehens ein solcher schrecklicher Regen vom Himmel gefallen / daß die Glut des Feuers gantz und gar gedämpffet / und also Crœsus noch lebendig heraus und zu dem Könige Cyro bracht worden / der ihn hernach hoch und werth gehalten.


Dieses ist ein schön Exempel der Unbeständigkeit des menschlichen Glückes. Ein jeglicher hat sich zu spiegeln an seinen Nechsten. Was einem andern widerfähret / dem bist du ebenmäßig unterworffen.

Man soll eines Klugen Rath nicht in den Wind schlagen. Auf Reichthum soll man nicht trotzen. GOtt kan wunderlich helffen / denn wann der Menschen Hülffe aus ist / so weiß GOtt noch Rath.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 59-61.
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