44. Wunderlicher Diebstahl zur Zeiten des Königs [71] Rampsiniti.

Eine seltzame Historie erzehlet Herodotus von einem listigen Diebe auf folgende Art: Der König Rampsinitus in Egypten hat mehr Baarschafft an Gold und Silber gehabt / als jemals ein König für ihm. Aber daß er nun diesen Schatz desto sicherer und besser behalten möchte / hat er einen neuen tiefen Thurn bauen lassen / und das Gold und Silber hinein gelegt. Der Baumeister aber hat in der Mauer einen Stein / den er ausnehmen und einsetzen können / daß es niemand gemercket / loß gelassen: Durch das Stein-Loch ist er in den Thurn gestiegen / so offt er gewolt und hat heraus genommen an Golde / was ihn gelüstet. Wie der Meister sterben wollen / hat er solche Heimlichkeit seinen zween Söhnen offenbahret / die auch ebener massen /als ihr Vater / durch den verborgenen Gang in den Thurn gestiegen / und nach ihren Lüsten daraus genommen. Der König Rampsinirus hat gemercket /daß sein Schatz in Thurn sich verringerte / und weil er keinen Gang finden kunte / hat er heimliche Stricke geleget. Die zween Brüder steigen des Nachts wieder in den Thurn / und wird der eine in den Stricken gefangen: Damit aber nicht offenbar würde / wer er wäre / hat der andere Bruder[71] dem Gefangenen den Kopff und eine Hand abgeschnitten / mit sich weggenommen und das Loch wieder zugemachet. Folgendes Tages läst der König den Cörper auf eine Mauer an den Galgen hencken / hoffend / die / welchen er verwand / und die daran Schuld hätten / würden sich nicht bergen können: Der überbliebene Bruder hat indeß seinen Bruder gern vom Galgen erlösen wollen / und derhalben diese List erdacht: Er hat ein Fuder Wein den Galgen vorbey geführet / und sich gestellet als lieff ihm der Wein aus / die Hüter des Galgens und des Aufgehenckten sind zugelauffen / diese hat er lassen allen Wein austrincken / davon sie truncken und mit Schlaff überfallen worden: Er aber indeß seinen gehenckten Bruder vom Galgen genommen / nach Hause getragen und begraben. Der König hierüber aus der massen sich verwundernd / hat seiner Tochter anbefohlen / sie solte bey allen Männern schlaffen /nur darum / daß sie ausforschen möchte / wer solche That begangen. Der Thäter ist auch zu der Tochter kommen / hat bey ihr geschlaffen / und auf ihr hartes Begehren bekennet / daß er wäre in den Thurm gestiegen / seinem Bruder den Kopff abgehauen / und ihn auch vom Galgen weggenommen hätte: Es hatte aber dieser / ehe er zu des Königes Tochter gegangen / mit sich genommen seines todten Bruder Hand: Wie nun die Tochter nach bekandter Sachen ihn ergreiffen und bey der Hand fest halten wollen / hat er ihr die abgehauene todte Hand fürgeschoben die sie auch ergriffen / er aber ist davon gelauffen. Der König Rampsinitus sich noch mehr verwundernde / und denselben / der so spitzfindig gewesen / hochhaltende hat öffentlich ausruffen lassen / wer solches gethan[72] solte sich zu erkennen geben / er solte nicht gestrafft werden / sondern des Königs Tochter zum Weibe haben / und hernach König werden. Auf diese Zusage ist der Thäter hingegangen und hat sich angemeldet: Deme der König /was er versprochen und zugesaget / gehalten / und ihme die Tochter gegeben / wie nicht weniger nach seinem Tode das Königreich aufgetragen.


Einem gelinget zwar bißweilen seine List und Bubenstück; es ist übel darauf zu trauen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 71-73.
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