72. Taback.

[125] Als Kraut Taback hat seinen Nahmen von dem Ländlein Tabaco, welches gelegen in Neu-Spanien in der Neuen Welt / woselbst diß Kraut sehr häuffig wächset / und am meisten gebrauchet wird / auch von dannen erst heraus in diese Länder gebracht worden. Sonst wirds auch geheissen Nicotiana, von dem Frantzösischen Edelmann Johann Nicot, einem besondern Liebhaber dieses Krauts. In Holland heisset man es auch Perun: Welcher Nahme bey den Americanern in Peru gebräuchlich ist. Dieses Krauts Blätter / welche sehr groß / seynd offtmahls länger als eine Elle / und breiter als eine halbe Elle / werden auf eine sonderliche Art aufgetrucknet / und zusammen gewickelt /gleichwie ein dickes Seil / und hernacher klein zerschnitten / in erdene Pfeiffen gethan / ans Licht gehalten / davon man alsdann den Rauch in den Mund ziehet. Solches nennet man Taback-trincken; Welches nunmehr so gemein in Holland / Spanien und Engelland / daß der König in Engelland jährlich mehr als zweymahl hundert tausend Ducaten Zoll nur allein vom Taback / der allda verkaufft und jährlich vertruncken wird / zu heben hat. Diß Taback-trincken haben unsere Leute gelernet von den Americanern /welche immerdar / ja stündlich / den Rauch des Tabacks ins Haupt trincken / davon truncken werden /eben als vom Wein: Ja können ohne[125] dasselbe nicht leben. Nun fraget sichs / ob dieses Tabacktrincken /oder Rauchsauffen gesund sey oder nicht? Allhie befinden sich zwo Extremitäten: Etliche gebrauchen es allzuofft / und haben sich darzu so sehr gewehnet, daß / wo sie nicht täglich / ja stündlich trincken / so werden sie kranck. Etliche haben gantz einen Abscheu dafür / und können nicht einmal den Rauch davon vertragen / vielweniger den Rauch einziehen. Und gehet es ihnen hiemit eben so / als andern / die von Natur nicht können Käse oder Butter essen / nicht können Katzen leiden / nicht können den Wein schmecken. Welche nun aus einer sonderlichen Antipathia nicht können des Tabacks Geruch leiden / denselben wird solchen Rauch in den Leib zu nehmen vielweniger gesund seyn. Die ersten aber belangend /nemlich die rechten Taback-Schwelger / die thun den Dingen zu viel / überladen die Natur / und thun sich und ihrer Gesundheit grossen Schaden; Dann obwol der Taback an sich ein köstlich / gesund / und zu vielen Dingen nützliches Kraut ist / so ist doch der Mißbrauch nicht gut: Und es gehet hiemit eben / als mit dem Wein / welcher zu viel getruncken / schadet: Mäßig aber getruncken / den Leib erfrischet und erquicket. Also muß man mit dem Taback den Mittelweg gehen / und sich nicht uber die Masse damit beladen. Dann es ist gewiß und unläugbar / daß es eine sehr gewaltsame Purgierung ist / wann man den Rauch ins Gehirn ziehet; Dadurch wird das Gehirn mit Gewalt zusammen gezogen und gedrucket / als wann man einen Schwamm drucket / und die nasse Feuchtigkeit heraus presset. Wann aber das Haupt sehr überhäuffet ist mit kalter Phlegmatischer Feuchtigkeit / und man alsdann ein kleines Räuchlein Tabacks mit[126] Aniß und Majoran vermischet / zu sich zeucht / solches kan einem nicht groß schaden / sondern vielmehr Vortheil bringen / wanns nur nicht zu offt und zu viel auf einmahl geschicht. Ich weiß mich zu erinnern / daß für 24. Jahren auf der hohen Schul zu Leiden in Holland ein Ubelthäter solte gerichtet /und der Anatomie übergeben werden: derselbe bekannte für seinem Ende / daß er des Tabacks sein Lebenlang mehr getruncken / als 20. andere. Wie nun der Anatomicus desselben Cörpers Haupt eröffnet /befand sichs / (welches ich benebens vielen andern gesehen) daß nicht allein der innere Knoche über der Nase / (welcher wie ein Sieb durchlöchert) gantz kohlschwartz / verbrannt und mürbe / sondern auch das förderste Gehirn / nächst dem gemeldten Knochen / gleichfals schwartz und gar vertrocknet war vom Rauch des Tabacks. Dahero zu vermuthen / daß demselben Menschen aller Geruch vergangen.


Taback ist zwar gesund und Gut / aber man kan dessen auch wol zu viel gebrauchen. Darum muß man mäßig desselbigen geniessen. Maaß ist zu allen Dingen das beste.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 125-127.
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