Die Göttinnen der Danckbarkeit / zu Latein Gratiæ, auf Griechisch genennet χἀριτες, seyn an der Zahl drey / mit Nahmen Aglaja, Thalia, Euphrosine. Solche werden auf folgende fünfferley Art gemahlet von den Mahlern / und von den Poeten beschrieben:
1. Erstlich seyn sie nackend / ohne einige Kleider oder Zierath: Damit anzudeuten / daß der / so etwas gut und denckwürdiges verrichten will / es aus reinem unverfälschtem Hertzen ohne eine Verblühmung /[127] nicht aber aus Schein / oder angezogener fremder Zierath thun solle.
2. Ferner sind sie auch Jungfrauen / in ihrer zarten blühenden Jugend: Dabey gelehret wird / daß / wer Gutthat empfangen hat / derselbe soll solches allezeit in frischem Gedächtniß behalten / und den Danck nicht lassen veralten. Die Dancksagung soll in unsern Hertzen / Worten und Wercken herfür blühen / alle Tage neu / wie die schönen jungen Mägdlein herfür gläntzen.
3. Dabeneben stehen die Gratiæ mit lachendem Gesichte: Dadurch wird angedeutet / daß wer Gutes thut / und einem andern Wolthat erzeiget / soll solches aus frölichen / freyen / willigen Hertzen thun: Nicht mit Zwang oder wider seinen Willen / sondern gerne und mit lachendem Munde: Daher ist das Sprichwort: Einen frölichen Geber hat GOtt lieb.
4. Uber das / seynd ihrer an der Zahl drey / dessen Bedeutniß ist / daß der Dank oder die Vergeltung solle dreymal grösser und mehr seyn / als die Gabe. Wann einer Wolthat beweiset / und der andere dieselbe empfähet / soll er alsbald zur Wiedervergeltung greiffen.
5. Letzlich haben sie sich einander bey der Hand gefasset / anzudeuten / daß Wolthat mit Wolthat solle zusammen gleichsam als an einer Kette gebunden seyn / und je eine die andere bey der Hand haben / das ist / alsbald eine auf die andere folgen.
Man bildet offt mit äusserlichen Gemählden grosse Kunst und Tugend vor. Darum soll man nicht so sehr auf das äusserliche / als auf die innerliche Bedeutung sehen.