12. Conterfait eines auffrichtigen Christen.

[664] Ein wunderschönes Sinnbild stellet uns ein gelehrter Mann vor Gesichte / das hält sich folgender Gestalt.

Der König David sitzet auff den Knien / mit entblössetem Haupte / die Arme seyn Creutzweise geschrencket. Dem lieget seine Harffe und sein Schäferstab zum Füssen. Es wächst und steiget auff aus der Erden die hocherhabene Sonnen-Blume / aus deren Wurtzel drey andere kleine herfürsprosseten / oben stehen zwey an einander verknüpffete Hertzen / in derer eines ist geschrieben: Nimm / gib / fleuch. In dem andern: Was GOtt will. Um dieser beyder Hertzen finden sich / als in einem Circul und Ring / Englische Gesichter. Ein mit Blumen bewundener Krantz flieget auff und verdorret. Das Schwerdt schwinget sich empor / und gehet in die Lufft. Ein Engel kommt vom Himmel / bringt Kron und Scepter. Der König David liegt hie in der Person eines ieden Gott wolgefälligen und andächtig gelassenen Christen / der in Demuth sich beuget vor GOtt / und dem zu Fusse fällt. Ein solcher leget die Lust- und Freuden-Harffe zu seinen Füssen / setzend seine Freude in GOtt. Er leget hin den Stab seiner Stärcke / und rühmet sich seiner Schwachheit. Ein solcher entäussert sich der Krone seiner eigenen Ehr / und suchet die in GOtt. Er ist eine rechte Sonnen-Blume / sich kehrend in Glück und Unglück / in allem Vornehmen zu der Sonnen der Gerechtigkeit Christo JEsu. Die beyde verknüpffete Hertzen bemercken das liebreiche GOttes und das GOtt-ergebene Christ-Hertz / die seyn in Liebe fest in einander geknüpffet. Aus dem Hertzen GOttes steigen herfür die Worte-Nimm / gib / fleuch[665] Nimm hin alle meine Wohlthaten! Nimm hin meinen lieben Sohn! Nimm hin den H. Geist! Nimm hin des H. Geistes Früchte! Nimm hin Gesundheit! Nimm hin Geld und Gut! Nimm hin Creutz / Anfechtung des Satans / Haß der Welt / und den Streit deines Fleisches. Aber gib mir wieder dein Hertz / gib mir deine schuldige Danckbarkeit / so wol für Glück / als Unglück. Fleuch alle Sünde / den Teuffel / die Welt und allen bösen Schein. Dem antwortet das Christliche Hertz: Was der Herr will! Ich will alles annehmen von deiner Hand; Ich will Danck geben / ich will alles fliehen. Wer also seinen Willen in GOttes Willen ergiebet / der empfindet keine Traurigkeit / sondern das Angst-Schwerdt schiesset aus seinem Hertzen heraus /bey dem ist das Zeitliche geringer geachtet dann ein verdorretes Graß. Die Engel seyn gleich einer feurigen Schutz-Mauer um ein solches Hertze / und GOtt hat seine Freude daran.


1. Wo findet man solche Hertzens-Christen?

2. Darum nimmt GOtt hin den Segen / gibt schwere Straffe / fleucht die gottlosen Hertzen.

3. Sprich von Hertzen zu GOtt: Mein Hertz und dein Hertz ist ein Hertz.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 664-666.
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