69. Einer sagt jedem was er gedencket.

[728] Der Kirchen-Lehrer Augustinus gedencket eines Ebentheuers / der auff offenen freyen Marckte ein Theatrum auffgebauet / und überlaut geschrien: Herbey! Herbey! Ich will einem jeden sagen / was er gedencket. Bald war ein grosser Zulauff vom Volck /dann jedermann wolte gern hören / wie das dem Menschen möglich wäre. Als nun unter dem Volck eine grosse Stille war / und mit grossem Verlangen warteten / wie es ablauffen und was er sagen würde: Fieng er an / und sprach mit lauter Stimme: Vili vultis emere, sed vendere caro. Wolfeil wolt ihr einkauffen / aber theuer verkauffen. Darüber erhub sich ein groß Gelächter / und muste jederman bekennen / daß er die Wahrheit gesagt hätte.


1. Die Menschen seyn begierig was neues zu hören.

2. Mancher höret lieber Possen als GOttes Wort.

3. Narren sagen offt die Wahrheit im Schertz.

4. Eigennutz ist sehr gemein.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 728.
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