100. Daß Kirchen-gehen nicht säume / wird mit einer feinen Historie bestätiget.

[875] Pelbartus setzet eine feine Historiam / wie ein junger Gesell / als er ausgezogen / von seinem Vatter vermahnet worden / sonderlich / daß er dreyerley Lehr von ihm behalten soll. Erstlich / daß er fleißig zur Kirchen gienge: Hernach / daß er sich für böser Gesellschafft hütete: Letzt und fürs dritte / daß er sich fein in der Leute Weise richten und schicken lernete. Wie er nun auszeucht / kommt er an eines Königes Hof / hält sich wol und kommt bald in Gnaden / und in gutes Ansehen. Diese Gunst und Gnade ward ihme von andern nicht gegönnet / ward demnach von einem beym Könige verleumbdet / als buhle er mit der Königin / und daß dem also sey / könne man aus seinen Gebärden vernehmen / denn wie sich die Königin gebährde / so gebährde er sich auch. Wann sie frölich sey / so stelle er sich auch frölich. Wann sie traurig sey / so stelle er sich auch traurig. Der König will erstlich dieses selbsten erfahren / um in Augenschein nehmen / zeucht einmahl einen schönen Ring von seiner Hand / und giebt denselbigen seiner Gemahlin /welche darüber lachte / und sich frölich stellet. Der junge Geselle stehet vor dem Tische / und wartet auf /und als er siehet / daß der König und die Königin frölich sind / erzeiget er sich auch frölich / als der gerne sahe / daß der König und die Königin freundlich mit einander umgiengen. Dieses merckte der König alles genau an. Auf eine andere Zeit stellet sich der König zornig / giebt seiner Gemahlin einen Backenstreich /da wird sie traurig / und weinet. Wie der Jüngling siehet / daß der König zornig / und die Königin[876] traurig ist / wird er auch betrübet / wie billich. Das deutet ihm der König zum ärgsten und vermeynet Ursach genug zu haben / ihm das Leben zu nehmen. Der König gehet zu Rath / wie er sich an ihm rächen möge; Der Verläumder giebt dem König Rath / er soll nicht viel Disputirens mit ihm machen / sondern ihn so bald in den Kalck-Ofen stecken und verbrennen lassen. Damit es auch unvermercket zugienge / möchte der König dem Kalck-Brenner sagen lassen / daß auf den Morgen um gewisse Stunde einer zu ihm heraus kommen und fragen würde / ob er des Königs Befehl ausgericht? Denselben solt er nehmen / und in den Kalck-Ofen werffen. Darauf wird dem frommen Menschen der Königliche Befehl aufgetragen / daß er am folgenden Morgen hinaus zum Kalck-Brenner gehen / und wie zuvor gedacht / fragen solte. Indem er nun auf dem Wege begriffen / eine offenstehende Kirche vorbey gehet / gedencket er an seines Vatters Befehl / gehet erstlich in die Kirche / höret die Predigt /dencket / er wolle noch Zeit genug kommen / und sei nes Königs Befehl verrichten. Mittler Zeit / daß dieser in der Kirchen ist / läufft der verläumderische Angeber hin zum Kalck-Brenner / in Hoffnung / der ander werde schon zu Asche verbrannt seyn / fragt den Kalck-Brenner / ob er des Königs Befehl ausgerichtet? Da nimmt ihn der Kalck-Brenner / ohne alle Barmhertzigkeit / und wirfft den Verläumder in den Kalck-Ofen. Oder nun gleich schreyet / daß ers nicht sey / gegen den das Königliche Mandat ergangen; so spricht doch der Kalck-Brenner; Er habe Befehl / den in den Ofen zu werffen / der am ersten zu ihm käme: Wirfft ihn derowegen hinein / und brennet ihn zu Aschen. Nach[877] der Predigt gehet der ander hinaus zum Kalckbrenner / fraget ob des Königs Befehl ausgerichtet? Der ihm denn antwortet: Es sey geschehen. Mit welcher Antwort er zum Könige kehret / berichtende / daß des Königs Befehl ausgerichtet sey. Der König erschrickt / verwundert sich über seine lebendige Wiederkunfft / fraget nach dem Verlauff / wie es zugegangen sey? Darauf der Jüngling saget / er habe des Königs Befehl ausgerichtet. Er sey aber nach seines Vatters Befehl zuvor in die Kirche gegangen. Unterdessen sey ein ander für ihm kommen / und in den Ofen geworffen worden. Daraus nimmt der König so viel ab / daß dieser Jüngling unschuldiger Weise verleumbdet / und der falsche Verleumbder billich gestrafft worden. Weiter hat der König gesaget: wie ers denn verstehen solte / daß er sich seiner Gemahlin an Geberden gleich stellete? Darauf er geantwortet: Sein Vatter habe ihn vermahnet / er solte sich fein in der Leute Weise schicken lernen / derselben Lehre habe er wollen nachleben. Wann demnach der König und die Königin frölich gewesen / habe er sich frölich erzeiget / wann sie traurig gewesen / habe er sich auch traurig erzeiget. Nachdem nun der König gnugsam seine Unschuld gespürt / hat er ihn hernach lieb und werth gehalten.


Neid und Mißgunst findet sich allenthalben. Man soll nicht bald glauben / denn man leuget gern auf die Leute. Der Eltern treuen Vermahnung soll man nachkommen. Mit welchem Man einer misset / damit wird er offt belohnet. Wer einem andern eine Grube gräbet / der fällt selbsten hinein. Nach dem Sprichwort:

Malum consilium consultori pessimum.


Finis

VI. Centuriæ.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 875-878.
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