24. [786] Crœsi stummer Sohn redet.

[786] Herodotus, im ersten Buch seiner Historien / erzehlet eine gantz wunderbahre Geschicht / die sich mit Crœso, der Lydier König / und dessen stummen Sohn zugetragen habe. Dieses Crœsi junger und stummer Sohn ward zugleich mit seinem Vater in einem unglücklichen Streit und Gefecht gefangen. Wie nun einer von den gemeinen Soldaten sein Schwerdt zückete / in Willen seinen Vater den König zu tödten /und der Sohn solches ersahe / ward er aus natürlicher Liebe getrieben / sehr bestürtzt / er bemühete sich seinem Vater zu helffen: Aber / weil er schon gefangen /konte er keine Hülffe thun. Was geschicht? Mercket eine unglaubliche That / der Schmertzen und die kindliche Liebe seyn in ihm so starck geworden / daß alsobald die Bande der Zungen seyn gelöset / und der Sohn mit aller Bestürtzung in folgende Worte heraus gebrochen: Hüte dich / daß du den König nicht tödtest! Als wolt er sagen: Was gehest du an / du verwegener und frecher Soldat / siehest du nicht / daß dieser / den du dich unterstehest zu tödten / sey Crœsus mein Vater der König in Lydien? Höre auf von so einem gottlosen Vornehmen: Es ist unverantwortlich /daß ein solcher gemeiner Soldat seine Hand wil legen an den König und mit dessen Blut seine Hände netzen. Durch diese Worte soll der Soldat dermassen bestürtzet seyn / daß er den vorgehabten Todtschlag nicht vollenzogen.


Giebt ein feines Beyspiel allen Kindern / sich der Eltern / insonderheit der Nothleidenden / anzunehmen. Ein Sünder / der was böses und sündliches begehet / tödtet gleichsam seine Seele und alles Gute darinnen: Da soll ein Christ demselbigen zuruffen / straffen und ihn von Sünden abmahnen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 786-787.
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