26. Fabel vom Igel.

[788] Ein berühmter und gelahrter Poet hat diese Lehrreiche Fabel vom Igel geschrieben.

Der Igel ist ein Thier / daß allenthalben voller[788] spitziger Stacheln / es kan sich aber dermassen zusammen thun / daß es läst wie ein kleiner Ball oder Kugel. Nun habe es sich auf eine Zeit zugetragen /daß diß elende Thier aus seinem Lager vertrieben worden / indem die Jäger vermeynet / es wäre ein Raub darinn / und es gantz darnieder gerissen. Der Igel / beraubt seiner Behausung / ist durch die Felder und Wälder herum gegangen / da ihm ungefehr auf dem Wege begegnet ein Fuchs / welchen er demüthig gebeten / er wolle ihn doch bey sich beherbergen. Der Fuchs siehet diß stachlichte Thierlein mit unerschrockenem Hertzen an / hat zwar Mitleiden mit demselbigen; aber er versaget ihm schlechter Ding die Herberge. Dann er hielt es nicht für rathsam. Der Igel hält inständiglich an / er wolle ihm nur ein Räumlein in seiner Fuchs-Gruben einräumen / gelobende / er wolle sich nicht rühren / noch einige Beschwerde verursachen. Durch dieses Fehlen und Bitten lässet sich der Fuchs endlich erweichen und erbitten / nimmet den Igel an / und beherberget ihn. Aber so bald nun der Igel den geringsten Platz in der Höle einbekommen /hat er sich dermassen ausgedehnet / daß der Fuchs /(hat er nicht wollen gestochen und verwundet seyn /) dem Igel müssen weichen / und ihm die Grube allein lassen.


Trau / schau / wem. O wie viel Igel-Hertzen giebt es noch! Der Teuffel hat Igels-Natur / wann er das Hertz einnimmet / muß GOtt weichen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 788-789.
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