27. [789] Antigoni kluge Antwort.

Der gemeine Mann hält die / so in grossem Ehren-Stand sitzen / für glückselig / aber in Warheit findet sich grosse Gefahr dabey / wie solches der König Antigonus erkannt und bekannt hat / nachdem[789] Gezeugniß Plutarchi in Apopht. und des Valerii Maximi lib. 7. cap. 2. Dieser Antigonus war auf eine Zeit angethan mit seinem Königlichen Purpur-Kleide / haltend in seinen Händen seinen Königlichen Scepter / begleitet mit vielen Fürsten und Edlen des Landes / und ward geführet auf einem prächtigen und kostbar zugerüstetem Triumph-Wagen durch die Stadt. Unter andern kam ihm auch ein Weib entgegen / welche ihm mit frolockender und glückwünschender Stimme also zurieff: O du glückseliger! O vor allen andern hochgepriesener Antigone! Der du zu solchem Glück-Stande und hohen Ehren bist erhaben worden! Auf dieses Weibes Glückwünschen hat der König etwas still halten lassen / und nachdem er mit Verwunderung dieselbe angesehen / und ihr zugehöret hatte / hat er ihr erbleichet mit trauriger und wehmüthiger Stimme folgende Antwort darauf gegeben: O Weib! wenn du es wüstest / wie viel Sorge und Gefahr unter diesem Stücklein Tuch verdecket und verborgen liegen / du würdest es nicht würdigen von der Erden aufzunehmen.


Das menschliche Leben ist voller Unruhe. Die uns düncket die Glückseligsten zu seyn / die seyn offt die Allerunglückseligsten. Erhebe dich nicht deines Standes /sondern sey demüthig.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 789-790.
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