48. Von der [810] Semiramidis Geburt / Heyrath und Gebäuden.

Die Semiramis ist / (nach dem Gezeugniß Diodori Siculi im 2. Buch Cap. 6.) bürtig bey der Stadt Ascalon, des Landes Syrien; allwo sie / als sie an die Welt gekommen / am See hingeworffen; Daselbst aber soll sie / wie einige schreiben / von den Tauben / welche da nisteten / anfangs mit süsser Milch / hernach als diß Kind stärckere Speise bedurffte / mit abgenagtem Käse / den sie von den nächstwohnenden Hirten raubeten / gespeiset und erhalten worden seyn / biß es endlich die Hirten gewahr geworden / die es / als ein schönes Magdlein hinweg genommen / dem Königlichen Stallmeister Simma solches geschencket / der das Kind / als seine leibliche Tochter auferzogen hat /und es nach ihren Speiß-Meistern / den Tauben / Semiramis nennen lassen. Einsmals kehrete des Königes Land-Voigt der Menones bey Simma ein / wie der die Semiramiden sahe / (welche nun schön und mannbar war) verliebet er sich in dieselbige / und nahm sie zur Ehe / die ihm gebahr zween Söhne Hypaten und Hydaspen. Wie aber die Semiramis sich klüglich hielte in der Stadt Bactra, (wohin sie ihr Mann mit hatte holen lassen) und mit sonderlicher Listigkeit Meisterin des Schlosses ward / auch folgends zuwege brachte / daß die Stadt in die Hände des Königes kam / verwunderte er sich über ihren Heldenmuth und Klugheit / verliebt sich zugleich in ihre Schönheit / und nahm sie / (nachdem der Menones, wie er hörete / daß der König sie begehrte zu haben / aus Ungedult und rasender Unsinnigkeit sich selbst erhenckt) zum Weibe / und[811] hat mit ihr gezeuget einen Sohn / Nahmens Ninus, der aber gantz aus der Art geschlagen / und nichts lobwürdiges verrichtet hat. Nachdem nun Ninus sterbende / das Reich der Semiramidi hinterlassen / wie Diodorus sagt: oder wie andere setzen / von ihr mit List getödtet / und sie sich der Regierung angemasset / da hat sie unter andern auch grosse Lust zu bauen gehabt. Wie sie dann zu Friedens-Zeiten ihren Ruhm in Aufrichtung köstlicher Gebäue gesuchet hat. Daher seyn von ihr erbauet viel Städte / die Stadt Babylon ist von ihr erweitert / und mit einer so köstlichen Mauer gezieret / daß es für ein Wunder-Werck der Welt gehalten worden. Es ist hiebey nicht zu vergessen der Brücke über den Fluß Euphraten, da auf beyden Seiten zwey herrliche Schlösser gebauet. Sie hat auch einen Gang in der Erden unter dem Wasser gemacht / durch welchen sie aus einem Schloß ins andere konte gehen. Ich wil nicht gedencken der Tempel und Gärten / die sie auf das köstlichste hat ausfertigen lassen. Kurtz zu sagen / wie sie mit Einrichtung vieler krummen Wege grossen Nutzen geschaffet: Also hat sie dadurch grossen Ruhm erworben.


GOtt und die Natur läßt sich an kein Geschlecht binden / sondern richtet auch durch die Geringen ihr Werck aus.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 810-812.
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