49. Von der [812] Semiramidis ihren Kriegen und Absterben.

Die vorgedachte Semiramis, wie sie sich klüglich gehalten in Friedens-Zeiten / also hat sie auch ihren Helden-Muth zur Zeit des Krieges erwiesen. Sie ist nicht vergnüget gewesen mit der Beschirmung derer von ihrem Mann ihr gelassenen Reiche[812] / sondern sie hat nach mehrern getrachtet. Gantz Egypten ist sie durchgezogen / ein groß Theil Lybien / und gantz Æthiopiam hat sie unter ihre Gewalt gebracht. Sie hat viel Siege gegen die Perser / Meder / Araber und andere Völcker mehr erhalten. Schrifftwürdig ists / was man lieset / daß / wie ein Bote gekommen / der ihr die Zeitung gebracht / daß die Babylonier von ihr abgefallen wären / sie entrüstet / die Helffte ihres Haars also ungebunden fliegen lassen / und dieselbigen nicht ehe in Ordnung gebracht / biß die Babylonier unter ihre Gewalt gedemüthiget worden. Daher ihr auch in der Stadt Babylon ein Marmorsteinern Bild in der Gestalt / wie sie zur Rache geeilet / nachgesetzet worden. Gegen die Indianer brachte sie eine grosse Macht zusammen / also daß gezehlet wurden 30. mal hundert tausend Fuß-Knechte / 5. mal hundert tausend Reuter / hundert tausend Streit-Wagen / und eben so viel Männer auf Cameelen sitzend / welche Schwerdter führeten vier Ellen lang. Weil auch die Indianer viel Elephanten hatten / so hat sie dreymal hundert tausend schwartze Ochsen schlachten lassen / befahl den Schustern aus deren Leder Bilder der Elephanten zu machen / welches auch künstlich ist zu Ende gebracht / wiewol es ihnen wenig geholffen hat. Zwar anfangs hat sie (so wol zu Lande / als zu Wasser) glücklich gestritten. Dann als Staurobates, der Indianer König /mit einer grossen Schiff-Armada ihr entgegen gieng /weil die Semiramis sich nicht wollen abschrecken lassen / durch die an ihr abgeschickte Gesandten / welche im Nahmen ihres Königes straffeten ihre Vermessenheit / daß sie so einen unnöthigen Krieg anfieng /dabey dräuen ließ / wann[813] er sie gefangen bekäme /daß er sie wolle creutzigen lassen. Da kam es an ein hartes Fechten / und nach langer Gegenwehr überwand sie die Indianer / versenckte ihrer Schiffe bey die tausend / nahm viel Insuln ein / und bekam über die hundert tausend Indianer gefangen. Darauf hat sie ihren zu Wasser erhaltenen Sieg auch zu Lande verfolget. Ließ eine grosse Brücke über den Fluß bauen /führet ihr Krieges-Volck hinüber / stellet sich in Schlacht-Ordnung / und wurden die Feinde durch die vielen falschen Elephanten fast geschrecket. Denn ob sie gleich den Betrug gewahr wurden / auch die Indische Pferde / welche der rechten Elephanten wol gewohnet waren / mit ihren Reutern auf die andern loß giengen / wurden dennoch die Pferde durch den ungewöhnlichen Gebrauch der frischen Elephanten hefftig verstöret / warffen ihre Reuter ab / und gaben sich auf den Lauff. Die Semiramis drang mit ihrem Heer hinten nach / und schlug sie in die Flucht. Aber der König der Indianer bestürtzt / setzte die Schlacht-Ordnung fort / stellete seine echte und rechte Elephanten vorne an / welche mit den gemachten stritten / und die bestritten / biß das gantze Assyrische Heer in die Flucht gebracht ward. Die Semiramis selbsten ward vom Staurobate mit einem Pfeil in den Arm / und mit einem Wurffspieß in den Rücken getroffen / sie entkam aber mit ihrem schnellen Pferde / und brachte kaum den dritten Theil ihres Volcks davon. Megasthenes beym Strabone vermeynet / daß sie im Kriege mit Staurobate dem Könige der Indianer umgekommen sey. Hingegen schreibet Justinus im 1. Buch am 2. Cap. daß sie zuletzt / als sie ihren Sohn zur Unkeuschheit hatte antreiben wollen / (wie sie denn wegen ihrer[814] Geilheit einen bösen Nahmen gehabt hat) von demselben getödtet worden.


Das Glück ist wanckelmüthig. Vermessenheit hat viel gestürtzet / und wer Gefahr liebet / der kommt darinnen um.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 812-815.
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