91. Ein Künstler hält sich in drey Stücken glücklicher dann alle Könige.

[863] Der König in Hispanien Philippus II. hatte einen fürtrefflichen Künstler Joanella de Trezzo, der bey ihm sehr wol gelitten und in grossen[863] Gnaden war: Es trug sich einsmals zu / daß sie beyde zu reden kamen von der Könige Zustand und anderer Privat oder gemeiner Leute Leben / welches eins dem andern vorzuziehen und am glücklichsten seyn. Da hat dieser Joanellus unter andern gesaget: O gnädigster Herr und großmächtigster König! Ich mißgönne weder dir noch einigem Fürsten ihren vor der Welt glücklich scheinenden Staat und Stande unterdessen / wann ich frey heraus reden soll / wie es mir ums Hertz ist / so halte ich mich / in meinem Stande / darinn ich lebe / viel glücklicher / dieweil ich habe dreyerley / die hoch zu achten seyn / dessen doch insgemein grosse Herren Mangel haben / diese drey seyn / res cara, res rara, res præclara, ein theures / ein seltzames / ein herrliches Ding. Das theure Ding / sagt er / seyn die aufrichtigen Freunde: Das seltzame / ist die Warheit /das herrlichste ist die Morgenröthe. An diesen dreyen fehlt es insgemein den Fürsten und Gewaltgen dieser Welt / denn weil sie im hohen Stande lebeten / so hätten sie wenig ihres gleichen / und also keine rechte Freunde. Vors andere / weil Herren-Höfe voller Schmeichler / so höreten die grossen Herren selten die Warheit. Zum dritten / weil sie schlieffen biß in den Tag hinein / so sehen sie selten die liebe und hochgewünschte Morgenröthe.


Ein guter Freund ist ein köstlicher Schatz.


Die Warheit und die / so dieselbige reden / soll man nicht anfeinden. Bey Herren-Höfen ist die Warheit vertrieben. Daher sagt Ludovicus XI. König in Franckreich: In Aula omnibus abunde una excepta veritate, und Carolus VIII. hat gesagt: Quid mirum si rari in cœlo. Reges, raros habent circa se veri monitores.


Wehe dem Lande / dessen Herren lange schlaffen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 863-864.
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