30. [912] Athis sein Fatum.

Der reiche Lydier König Crœsus hatte einen Sohn /der alleine nach ihm zum Regiment tüchtig erachtet ward / der hieß Athis, sonst war noch einer / der war stumm gebohren / und träumete diesem Crœso von seinem Sohn Athi, daß er vom Pfeil-Schusse solte umkommen / darum wolte er nicht gestatten / daß er in Kriegen sich möchte versuchen. Damit er nun den jungen freudigen Helden vom Kriege abziehen / und bey sich zu Hause behalten / und so viel ihm menschlich und möglich / des Sohns Fato vorbauen möchte /gab er ihm ein schön Gemahl. Nun kam zu Hofe Georgii Midæ Sohn / Adrastus genannt / der hatte seinen Bruder unvorsichtiglich wider Bedacht und Willen ums Leben gebracht / diesen trieb der Vater aus seinem Hause / darum machte er sich zu Crœso, und ward von ihm freundlich und ehrlich gehalten. Nun trug es sich zu / daß ein ungeheuer wild Schwein /deßgleichen man zuvor nimmer hatte gesehen / Crœsi Unterthanen und Bauren mercklichen Schaden zufügte / und mochten sie solches nicht überwältigen oder umbringen / daher sie verursacht wurden / bey ihrem Herrn um Hülffe anzuhalten / baten ihn derowegen /er wolle ihnen seine Jäger vergönnen / samt seinem Sohne / die das Thier fällen möchten / die Hunde und Jäger erlaubet er ihnen / aber er will nicht gestatten /daß der Sohn mit fortrücke / da diß der Ehrdürstige Sohn / welchem verlangte das Thier zu fällen / und den Ruhm davon zu bringen / vernommen / ward er auf den Vater ungedultig / daß er ihm alle Lust gedächte abzuschneiden / und daß er seine[913] Mannheit nirgend möchte beweisen / und sprach / was wil mein neu genommenes Gemahl von mir halten / was werden die Bürger von mir sagen / die schier nicht wissen / daß etwas männliches Gemüths an mir sey / der Vater hält ihm den Traum für / welches der behertzte Jüngling ablehnete / sprechend / auf Träume wäre nichts zu achten / und muste also Crœsus zufrieden seyn / und seinen Willen darein geben / daß er mit auszöge / doch befahl er ihn Adrasto, daß er fleißige Aufsicht auf den Jüngling haben solte / damit ihm kein Unfall widerführe. Sie wandern samtlich hin /biß sie das Thier antreffen / da trägt sichs zu / daß Adrastus, indem er nach dem Thiere schiesset / den Athim trifft / der im Rennen zu maß kommt / ehe Adrastus sich dessen versiehet oder hoffet. Da solches geschehen / will Adrastus nicht vom todten Cörper /folget gar betrübet nach / biß gen Sardis, da Crœsus Hof hielte / da kommt er zu Crœso, fället für ihm nieder / und stellet sich kläglich an / begehret nur / daß man ihn zur Stund wiederum tödte / aber Crœsus trug Mitleiden / und erbarmet sich über Adrastum, und sprach: Ich habe / O GOtt / von dir Gnugthuung / in dem / daß du dich selbst zum Tode offerirest / und bist nicht meines Elendes eine Ursache / ob du wol den Schuß unvorsichtig gethan hast / sondern der Götter einer / der mir schon zuvor in einem Traume solches verständiget hat / da man nun den heydnischen Gebrauch nach / Athis Cörper auf den Holtz-Hauffen solte verbrennen / steiget Adrastus auf den Holtz-Hauffen / ersticht sich selber darauf / und ist sein Leib gleich mit Athis seinem verbrannt worden.


Wer nicht will hören / der mag leiden / wäre Athis seinem Vater gehorsam gewesen / und daheime blieben /so hätte ihn Adrastus nicht erschossen. Fatuorum fatum fatuum.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 912-914.
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