96. Treue [985] Demarati, und der Gorgonis Klugheit.

Um die Zeiten Darii waren zu Sparta nach langer Gewonheit zween Könige / Cleomenes und Demaratus; Cleomenes hätte gern allein geherrschet / verleumdete derhalben seinen Gesellen Demaratum, gab ihm Schuld / daß er nicht ehrlich gebohren wäre / und machte dadurch / daß Demaratus seiner Würden entsetzet wurde / welcher darauf in Persien flohe. Cleomenes zwar ist nicht lange darnach in Unsinnigkeit gefallen / hat sich selbst mit einem Messer am gantzen Leibe sehr verwundet / auch endlich den Bauch aufgeschnitten / die Gedärme heraus gerissen / und ist also rasend dahin gestorben: Wiewohl andere wollen /daß er im Kriege gegen die Archiver in die Flucht getrieben / und in Egypten / dahin er geflohen war / erschlagen sey. Ihm hat im Reich gefolget sein Bruder Leonidas. Demaratus aber / wiewol er so grosse Schmach von seinen Landsleuten empfangen hatte /hat dennoch seiner Treue gegen des Vatterland nicht vergessen / und als Xerxes sich die Griechen zu bekriegen fürgenommen hatte / solches den Spartanern zu wissen gethan. Damit er aber die Botschafft desto sicherer anstellen möchte / hat er die Täfflein (darauf man damahls zu schreiben pflegte) genommen / das Wachs abgekratzet / auf das Holtz die Buchstaben eingegraben / darnach das alte[985] Wachs (damit der Betrug verborgen bliebe) wieder über die Schrifft gekleibet / und also das Täflein einem getreuen Knecht nach Sparta zu tragen übergeben. Die Spartaner verwunderten sich / daß sie keine Schrifft auf dem Wachs /wie damahls der Brauch war / funden / argwohnende /daß die Sache desto grösser seyn müste / je verborgener dieselbe war. Endlich hat Gorgo eine Tochter Cleomenis, des Königs Leonidæ Weib / die Sache durch ihre Klugheit offenbahrt / darauf das Wachs abgekratzt / die Schrifft erfunden / und Xerxis kriegischer Rathschlag entdeckt ist.


Böses mit Gutem vergelten / ist eine rechte Christliche Tugend / welche / je löblicher sie diesen Heyden gewesen / desto schädlicher ist vielen Christen die leyder allzu gemeine Rachgierigkeit.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 985-986.
Lizenz:
Kategorien: