98. [987] Simonidis Traum.

Simonides schiffte einsmahls auf dem Meer / und wie er ans Land kam / fand er daselbst im Sande einen todten Leichnam unbegraben / welchen er aufnahm /und begrub. In der folgenden Nacht träumete ihm /wie ihm derjenige / welchen er begraben hatte / vermahnete / daß er des andern Tages nicht solte zu Schiffe gehen / weil ein groß Ungewitter auf dem Meer entstehen / und Schiffbruch verursachen würde. Simonides gehorchte dem Gesichte / und blieb auf dem Lande. Wie nun die übrigen des folgenden Tages vom Land stiessen / entstund plötzlich ein groß Ungewitter / dergestalt / daß sie noch im Angesicht Simonidis mit dem Schiffe von den Wellen des Meers bedeckt wurden / und zu Grunde giengen. Simonides war frölich / daß er vielmehr seinem Traum / als dem Meere sein Leben vertrauet hatte / beschreibet solche Gutthat zum ewigen Gedächtniß mit einem schönen Carmine, und erbauete jenem viel ein besser Grab in den Gemüthern der Menschen / als er ihm zuvor in dem unbekannten und wüsten Sande gethan hatte.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 987.
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