100. Frauen-List.

[648] In Hoffnung / daß es dem Leser nicht unangenehme seyn werde / will ich diß vierdte Hundert unserer Historischen ACERRA mit einer kurtzweiligen Historie /genommen aus der Studopædia Joannis Pauli beschliessen.

Es verliebten sich drey junge Kerle in eine wolgestallte und vornehme Wittibe / und freyeten hefftig nach ihr. Wiewol sie nun keinen unter denselben zu ehlichen willens war / so wolte sie gleichwol nicht ungestümm ihnen den Abschied geben / oder sie durch den Korb fallen lassen / sondern machte sich ihrer nachfolgender Weise listig und höflich loß. Sie bestimmete einen jeglichen unter ihnen eine gewisse Zeit / zu welcher er zu ihr kommen solte. Als nun der erste sie besuchte / befahl sie demselben / er solte einen Todten-Cörper / welcher nahe bey ihrer Wohnung auf dem Todten-Acker kürtzlich war begraben worden / aus dem Sarge nehmen / an dessen Stelle aber sich hinein legen / und biß an den folgenden Morgen darinnen verharren / alsdann wolte sie darbey abnehmen / daß er sie recht treulich liebete. Der Narr that dieses gantz willig / und mit so grossen Freuden /als solte er zum Tantze gehen. Bald darauff stellete sich der andere[648] auch ein: Den bekleidete die Frau mit einem weissen Hemde gar zierlich / eben wie man die Engel pfleget abzumahlen / gab ihm damit eine brennende Kertze in die Hand / und ermahnete ihn / wann er sie von Hertzen liebte / und treulich meynete / solte er sich bey den Sarck stellen (welchen sie ihm zeugete / und darinnen der erste Buhler lag) denselben verwahren / und nicht ehe davon gehen / biß sie ihm würde abfordern. Dieser hielt sichs für eine Ehre /einer so fürnehmen Dame angenehme Dienste zu leisten / eilete zum Grabe / und stund da steiff und unbewegt. Endlich kam auch der dritte und letzte Freyer /den verkleidete sie scheußlich / und befahl ihm / er solte hingegen / die Leiche aus dem vorgezeugten Sarge nehmen / und zu ihr ins Hauß bringen. Der Narr war auch dienstwillig / wanderte so forthin: Wie er aber den in dem weissen Kleide da stehen siehet /erschrickt er / nicht anderst meynende / als daß er ein Engel sey; Doch macht ihm die Liebe einen Muth /und benimmt ihm alle Furcht: Gehet also tapffer auff den Hüter des Grabs zu / und unterstehet sich / demselben den Cörper mit Gewalt abzunehmen: Aber der ander im weissen Kleide will solches mit nichten zulassen / sondern wehret sich / und schlägt mit seiner in der Hand habenden brennenden Fackel um sich /und schmeissen sich diese beyde lustig um die Köpffe: Der im Grabe gucket durch einen Ritz aus dem Sarge / meynete ein Engel und der Teuffel stritten um den todten Menschen / welchen er heraus genommen hatte / und damit er dessen nicht entgelten müste /springet er mit grosser Geschwindigkeit aus dem Grabe herfür / willens zu entfliehen.[649] Wie aber die beyde Kämpffende den dritten sehen / bestürtzen sie sehr / lauffen mit grossem Zetter-Geschrey davon /und mercken endlich / daß sie von der Frauen / auff welche sie alle drey ihre Liebe geworffen hatten / hinter das Licht geführet / und geäffet oder verspottet seyn.


Keine List gehet über Frauen-List. Sich in eine zu verlieben / deren man nicht kan theilhafftig werden / ist grosse Thorheit.


FINIS

IV. CENTURIÆ.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 648-650.
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