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[613] Cimon ein eißgrauer / steinalter Mann zu Athen /ward wegen harter Anklage zum Gefängniß verurtheilet / daß er darinn sterben solte / es wurde ihm keine Speise zugelanget / und durffte niemand zu ihm hinein gehen / als alleine seine Tochter Pera, welche ein kleines saugendes Kind zu Hause hatte; so offt sie aber den Vater besuchen wolte / wurde sie von den Hütern erstlich besucht / damit sie keine Speise mit hinein trüge. Weil nun der Alte ohne Speise so lange Zeit lebte / und niemand wissen konte / wovon er sich immermehr erhalten möchte / gaben die dazu bestellte Wächter heimliche Achtung darauf / und befunden endlich / daß die Tochter / wann sie hinein gieng / den alten Vater an ihren Brüsten säugete / als ein unmündiges Kind / und ihm also das Leben erhielte. Solches zeigten die[613] Wächter der Obrigkeit an / der diese Treue so wol gefiel / daß sie nicht allein dem alten Vater seine verdiente Strafe schenckete / sondern auch der Tochter für ihre Säugung eine stattliche Verehrung thaten. Fast ein gleiches Exempel finden wir beym Plinio am 7. Cap. des 36. Buchs.
Was ist billiger / als derjenigen ihr Leben nach äusserster Möglichkeit zu erhalten / welche uns das Leben ge geben haben.