75. Kluge Antwort [615] Diogenis, welche er einem Höfling gegeben.

Dionysius, der Tyrann in der Stadt Syracusa in Sicilien / hatte viel arme Leute gemacht / und unter andern auch eine Philosophum, Diogenes genannt / verdorben / darum / daß er ihm hatte die Warheit gesagt /und seine Laster und tyrannisches Regiment bestraffet. Nun begab sichs auff eine Zeit / daß Diogenes Kraut auf dem Felde zusa en gelesen hatte / welches er wusch und einen Sallat davon machen wolte / welchen er für den Hunger essen möchte. Dieses ersahe ohngefehr einer von den Dienern des Tyrannen Dionysii,[615] sprach derhalben zum Diogene: Wann du woltest leben nach dem Willen meines Herrn des Koniges Dionysii, und dessen Gefallen thun / so hättestu bessere Kost zu essen / und dürfftest kein Kraut waschen. Diogenes aber antwortete ihm und sprach: Wann du Kraut essen woltest / so dürfftestu deinem Herrn dem Dionysio nicht so schändlich und fälschlich heucheln.


Wer die Warheit redet / kan nirgend bleiben / nach dem Sprichwort: Veritas odium parit. Heuchler sind grossen Herren allezeit angenehmer / als gelehrte Leute /welche es mit ihren Vermahnungen treulich meynen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 615-616.
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