76. Unterschiedliche Kleider-Tracht der alten Römer.

[616] Gleichwie das menschliche Alter in gewisse Jahrzeiten abgetheilet wird / also gebrauchten auch die alten Römer bey einem jeden Alter besondere Kleidung. Die Kinder / welche unter acht Jahren waren (dann die Kindheit erstreckt sich in den Rechten biß auff den 1. Tag des achten Jahrs) trugen am Halse mancherley Klipperwerck / darauff gemeiniglich der alten Namen geschrieben stunden / auf daß / wann sich etwa die Kinder in der Stadt verirreten / sie an ihren rechten Ort / wiederum könten gebracht werden. Die Knaben / welche über 7. und unter 14. Jahren waren /(dann so weit gehet das ander Theil des Alters im männlichen Geschlechte) waren bekleidet mit kurtzen Röcken / ungefehr wie unsere Reitröcke sind / welche aliculæ genannt wurden. Wann sie 14. Jahr alt wurden / war ihnen / wann sie freye Leute waren (dann die Knechte wurden dieses Zierraths nicht gewürdiget) ein ander Rock angezogen / prætexta genannt /welcher oben an der rechten Schulter mit einem Hefftlein angehefftet[616] ward / und die lincke Seite mit bedeckte / der Saum desselben war um und um mit Purpur eingewickelt / über das ward ihnen ein Bildniß / Bulla genant / vom Gold oder Silber / in Gestalt eines Hertzens an den Halß gehencket: Purpurroth war der Rock / zweifels ohne darum / daß sie bey dieser Farbe der Zucht und Schamhafftigkeit (deren Zeichen dieselbe ist) sich erinnerten und befliessen. Als ein Hertz war das Halsgeschmeide gestaltet / damit sie bey Anschauung dessen erkenneten / der wäre ein rechter Mensch zu nennen / welcher am Hertzen und Gemüth löblich und mit Tugenden gezieret ist. Wann sie diese Kleidung eine Zeitlang hatten getragen / wurden sie mit männlichen / erbaren Bürger-Röcken bekleidet /in welchem kein Purpur zu finden / und welche ihnen biß auf die Füsse hiengen. Diese Kleidung hieß toga virilis, und gehet solches zu / mit grosser Pracht und Herrlichkeit; Dann wem erlaubt wurde / diese Kleidung zu tragen / der ward von seinen Eltern oder Freunden erstlich auff den Marckt / nachmals auff das berühmte Römische Schloß Capitolium geführet /und wurden zu dieser Einführung (welche sie Tirocinium nenneten / und diejenigen / welche also bekleidet werden solten / Tirones) die nechste Anverwandten gebeten / Geschencke von einem jeglichen ausgetheilt / auch eine Unterredung dabey gehalten. Gleichwie nun diese Kleidung allen Römern in Friedens-Zeiten gemein war / daher sie Togati genant wurden /also ist der ersten Auslegung keine gewisse Zeit von Jahren gesetzt gewesen / dann wir finden / daß etliche zu diesen Bürgerlichen Röcken sind gelassen worden im 15. Jahr ihres Alters / als Antonius; etliche im 16. als Octavius Augustus; etliche im 21. als Cajus Julius[617] Cæsar, etliche wol auch so bald nach ihrer Mündigkeit / oder nach ihrem 14. Jahre: Vor vollbrachten 14. Jahren aber ist niemals jemand mit solcher Kleidung geehret worden.


So genau haben die klugen Römer auff die Kleidung acht gehabt: Bey unsern Zeiten trägt ein jeder was er will / und ist da kein Unterscheid der Kleider.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 616-618.
Lizenz:
Kategorien: