85. Historia vom [628] Sigismundo und einem seiner Diener.

Der Käyser Sigismundus hatte einen alten treuen Diener / welchem er bißher sehr wenig verehret hatte /wiewohl er sonsten ein freygebiger Herr war. Es begab sich aber auff eine Zeit / als der Käyser eine Reise that / und unterwegens durch einen Teich ritte /daß des Käysers Pferd seyn Wasser in den Teich ließ: Als aber solches der besagte Diener / welcher vor dem hergieng / ersahe / sprach er aus Kurtzweil: Das Pferd habe eben die Natur an sich / die der Käyser an sich hätte. Das hörete der Käyser ohngefehr / fragte ihn derohalben / was er dadurch verstanden oder gemeynt hätte. Da legte es der Diener also aus: Daß / gleichwie das Pferd sein Wasser lasse in den Teich / darinnen ohne dem Wassers genug wäre / also mache es auch der Käyser / indem er denen viel Geschencke gebe /welche schon zuvorn Geld und Güter gnug hätten.

Der Käyser merckte bald / wohin dieser zielte /nemlich / daß er ihm hiermit höflich vorwürffe / daß er ihm als einem alten Diener wenig Geschencke für seine lange treue Dienste verehret hätte / antwortete derowegen / und sprach: Daß der Mangel bißher nicht an ihm gewesen wäre: Sondern es sey also beschaffen mit den Fürstlichen Verehrungen / daß sie offtmals nicht derjenige bekäme / welcher sie verdienet hätte /sondern welchem GOtt und das Glück dieselbe gönnete / und daß dem also sey / wolle er erstes Tages darthun. Wenig Tage hernach lässet der Käyser zwo Büchsen von Blech machen / von einer Grösse und Schwere /[629] und in die eine Bley / in die andere aber Gold giessen: Ruffte darauff obgemeldten seinen Diener für sich / setzte ihm die beyden Büchsen vor / mit Befehl / eine von denselben zu nehmen / und zu erwehlen / welche er wolle: Der Diener erschrack hierüber / besahe und wug eine um die andere / und wuste nicht welche er erwehlen solte / biß er zuletzt die erwehlete / in welcher sich das Bley befand. Da sprach der Käyser: Nun siehestu klärlich / daß es nicht meine / sondern des Glücks Schuld ist / daß du nichts bekommen hast von meinen Gaben.


Treue Diener muß man treulich lohnen / sonderlich denen / die es vonnöthen haben: Glück kömmt zwar von GOtt / entschuldigt aber den Käyser nicht / welcher seine Pflicht hätte bedencken / und nicht den unbekannten und zweiffelhafften Glücks-Fall erwarten sollen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 628-630.
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