87. Von wunderbahrer Geschwindigkeit und Verstand etlicher Thiere.

[631] Wiewol die Vernunfft und Verstand ein solcher Schatz ist / welcher allein uns Menschen / als Ebenbildern GOttes geschenckt ist: So ist dennoch offenbahr / daß viel Thiere mit ihrer klugen Sinnlichkeit dem menschlichen Verstande gar nahe kommen: Welches dann auch Plutarchum bewogen hat / daß er dafür gehalten / es seyn auch die Thiere mit Vernunfft begabet: Und obschon dieses zu viel geredt ist / so ist doch dagegen unlaugbar wahr / was der kluge Plato schreibet / nemlich / daß in den Kräutern die Sinne der Thiere / in den Thieren die Vernunfft der Menschen / und in den Gemüthern die Göttliche[631] Weißheit gleichsam abgebildet sey. Zum Beweiß und Bestätigung dieses Spruchs / so viel die Thiere anbetrifft /achte ich genug zu seyn / was gedachter Plutarchus von einem Elephanten auffgezeichnet hat. Zu Rom lehrete ein Kerl die Elephanten allerley Künste um Geld / und richtete sie ab unterschiedliche Bewegungen zu machen mit dem Rüssel und den Füssen. Unter denselben befand sich auch ein Elephant / welcher gar hartlernig und tumm war / und deßwegen von seinem Meister offt mit Worten / öffter aber mit Pfriemen bestrafft wurde: Dieses Thier hat man zu Nacht-Zeiten im Mondschein gesehen sich üben und befleißigen /damit es den andern Mitschülern gleich thun / und also die Scheltworte und Schläge seines Meisters verhüten möchte.

Die Ameise / das kleine Thierlein / behüt Gott! wie fänget das seine Sachen so klüglich an; Obgedachter Plutarchus ist der Meynung / daß / ob schon die Natur in diesem Thierlein einen Spiegel grosser und bey nahe unbegreifflicher Dinge vorgestellet habe /indem an demselben gefunden wird eine treffliche Abbildung und Anzeigung beständiger Gesellschafft /grosser Arbeit / Tapfferkeit / Vorsichtigkeit / Gerechtigkeit und Mässigkeit: Dannoch seine verwunderliche Sinnlichkeit am allermeisten daraus erschiene /daß / wann es sich gegen den Winter mit gnugsamen Vorrath versehen hat / es am allerersten die herfürschiessende Blüt oder Kühmen an ihren Körnlein abnagen / damit dieselbe dadurch nicht weich werden /verfaulen / und ihme also zur Speise untüchtig seyn. Von diesem Thierlein ist besser zu schweigen / als wenig zu schreiben: Dann auch der Geist GOttes selbst die Ameisen den Menschen[632] zum Exempel der Arbeitsamkeit und des Fleisses vorgestellet. Und der berühmte Virgilius im 4. Buch von den Thaten Æneæ singet wunderlich von ihrer wunderbahren Einsammlung und zusammentragung des Geträudes.

Zu Susis in Persien sind Ochsen gehalten worden /welche den Königlichen Garten daselbst gewässert /und zu dem Ende ein jeglicher unter ihnen 100. Eymer Wassers zugetragen haben: So bald sie aber nach gewöhnlicher Zahl haben ihre Arbeit verrichtet gehabt / hat man sie durch keine Schläge dahin bringen können / daß sie noch einen eintzigen Eymer hinzugetragen hätten.

Vom Crocodil melden viel wahrhafftige Geschicht-Schreiber / daß er zu Winters-Zeit / wann alle Wasser mit Eiß befroren sind / mit seinen Ohren sich nahe bey das Eiß lege / und aus dem Rauschen des Wassers urtheilen könne / ob das Eiß so dicke gefroren sey / daß er ohne Gefahr darüber könne gehen.


Es bleibet wol wahr / was jener sagt / daß viel Thiere klüger sind als die Menschen / und daß diese von jenen in manchem Stücke gelehrt und unterwiesen werden.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 631-633.
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