97. [644] Democritus wird von seiner Magd artig betrogen.

Der gelehrte Democritus, aus Thracien bürtig / sandte einsmahls seine Magd auff den Marckt / daß sie ihm Kukummern einkauffen solte. Die Magd richtete ihres Herrn Befehl aus / kauffte etliche der Früchte / und legte einen derselben in einen Honig-Topff / welchen sie eben unter dem Arm[644] hatte. Wie nun Democritus diese Kukummern schmeckte / befand er / daß sie gar süsse war / fragte darauff die Magd / aus welchem Garten sie die Kukummern gekaufft hätte? Die Magd zeigte den Ort an. Hierauff lieff Democritus hin / besahe das Erdreich / in welchem die Früchte gewachsen waren / und fieng an nachzusinnen / wie es doch möglich seyn könte / daß eine Kukummer vor der andern so einen lieblichen Geschmack hätte / meynete /er wolte die Ursach dieses Unterscheides durch die Philosophie ergründen: Aber er arbeitete umsonst. Endlich / da er sich lange gnug über diesem Geheimnisse gequälet und verwundert hatte / trat die Magd herzu und sprach: Lieber Herr / es ist umsonst / daß ihr euch bemühet / die Ursach dieser Süßigkeit aus der Natur zu ergründen: Aber ich will euch bald den Zweiffel benehmen und lehren / woher es komme /daß die Kukummer / welche ihr gegessen habt / ist süsser gewesen als die andern. Democritus spitzte die Ohren / eine sonderliche Ursache dieses Unterscheits erwartende: Da sprach die Magd: Lieber Herr / ich habe die Kukummer / wie ich sie nach Hause getragen / in einen Honig-Topff gelegt / und daher kömmt es /daß sie einen Honig-süssen Geschmack an sich genommen hat: Also merckte Democritus, daß er betrogen war / und vergeblich seinen Kopff darüber zerbrochen hatte. Hiervon kanst du mit mehrerm lesen Plutarchum und Laẽrtium.


Die Weltweisen werden offt in ihrer Weißheit betrogen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 644-645.
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