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Disciplina tua, Domine, correxit me in finem, Disciplina tua ipsa me docebit.
Psal. 17. v. 36.
Deine Straff hat mich zu dem End gezüchtiget/ und deine Züchtigung wird mich underweisen.
1.
Weil ich auff dem Wollusts-Weg
Meine Täg'
Ohne Sorg verzehret/
Hab' ich Heyl-vergessen mir
Selbst die Thür
Zu dem Heyl versperret/
Massen ich so Laster-geyl
Nach der Höll geloffen/
Daß von meinem Seelen-Heyl
Wenig mehr zu hoffen.
2.
Als nun Daphnis also mich
Liederlich
Sah' in Sünden leben/[135]
Und nur nach der Eitelkeit
(Allbereit
Gott-vergessen) sterben/
Bracht ihm meine Heyls-Cefahr
Kümmerliche Sorgen;
Dann mein böses Leben war'
Ihm gar nicht verborgen.
3.
Klopffe derohalben offt1
Unverhofft/
An bey meinem Hertzen/
Sagte mir/ ich solte nicht
Wider Pflicht
Seine Lieb verschertzen;
Aber sein Ermahnungs-Lehr
War' an mir verlohren/
Dann ich gab' ihm nur Gehör
Mit Ulysses-Ohren.2
4.
Als er mich zu seiner Schmach
Also sah'
Allen Raht verachten/
Müßt' auff andre Mittel Er/
Weil ich schwer
Zu bekehren/ trachten;
Kame mit der Höllen-Straff
Ernstlich mich zu schröcken/[136]
Von dem tieffen Sünden-Schlaff
Endlich auffzuwecken.
5.
Schickte mir in bester Ruh
Gähling zu
Schwäres Creutz/ und Leyden,
Mir den Weg zum Undergang
Mit Bezwang
Also abzuschneiden;
Dann weil ich im Glückes-Stand
Stäts verbeint geblieben/
Hat Er mich mit scharffer Hand
Zu dem Joch getrieben.3
6.
O wohl ein gantz allerseits
Güldnes Creutz/
So die Sünder bessert
Welches des Gottlosen Aug
Mit der Laug
Wahrer Reu bewässert!
Unglück ist das beste Glück/4
Glück bringt nur verderben/
Wessen Gnaden-reiche Dück'
Heilig machen sterben.
7.
Reben/ die man Frühlings-Zeit
Fleißig schneidt/
Zwar anfänglich wäinen/[137]
Aber/ wann der Herbst einbricht/
Sie gar nicht
Mehr betrübt erscheinen/
Dann sie zierlich auffgemutzt
Voll der Trauben hangen/
Hätte man sie nicht gestutzt/5
Wurden sie schlecht prangen.
8.
Wann dem Baum die geile Proß/
Zweig/ und Schoß
Man nicht wird benemmen/
Wird vor andern Bäumen er/
Früchten lähr/
Sich bald müssen schämen/
Muß demnach aus seiner Stätt
Auff den Scheiter-Wagen:
Wann man ihn gestümmlet hätt'/
Hätt' er Frucht getragen.
9.
Machen auch die Krieges-Leut
Gute Beut/
Die nicht scharff gefochten?
Keinem wird der Sieges-Krantz
Bey dem Dantz
Ohne Streit geflochten:
Durch die Wunden werden sehr
Ruchtbar die Soldaten/
Keiner kan zu grosser Ehr/
10.
Will die Erde fruchtbar seyn/
Korn und Wein
Nach Erfordrung haben/
Muß sie ihr verwachsnes Hertz
Durch das Aertz
Lassen tieff durchgraben/
Durch des kalten Winters Wuht
Reiffen/ Schnee/ und Regen/7
Wird sie wiedrum frisch und gut:
Räuche bringt den Segen.
11.
Ob die Drucker dem Papier
Schon offt schier
Gar die Seel auspressen/
Kan es doch sein Ungemach
Keiner Rach/
Oder Zorn zumessen/
Massen es dardurch empfangt
Weißheit der Buchstaben/
Welches jederman verlangt
Stäts bey sich zu haben.
12.
Zierlich prangt die göldne Cron
Auff dem Thron
Mittelst vieler Streichen/
Alle Klopffer/ Schläg'/ und Schnitt'/
So sie litt'/
Ihr zur Zierde reichen/[139]
Auff den Königs Häuptern macht
Sie das Leyden prangen/
Ohne welches solchen Pracht
Sie nicht wurd' erlangen.
13.
Niemal werden Flachs/ und Hampff
Ohne Kampff
Zarte Leinwat geben/
Müssen durch der Hächel Zähn
Mühlich gehn
Ohne widerstreben/
Endlich wird ein Hemmd daraus/
Oder zarter Kragen/
So aus einem schlechten Hauß
Wird nach Hof getragen.
14.
Rauche Stöck'/ und grobe Stein'
Werden fein
Nach erlittnen Wunden/8
Und nach gantz entwetztem Stahl
Manches mahl
Schöne Werck' befunden:
Was zuvor abscheulich wild
An Gestalt gewesen/
Durch das Hauen wird ein Bild
Schön/ und auserlesen.
15.
Also macht das Affter-Glück9
Schöne Stück'[140]
Aus den Menschen-Kindern/
Pflegt den Hoch- und Ubermuht
Durch die Ruht
Seiner Tück zu mindern:
Leyden schreckt die Sünder ab
Von gottlosem Leben:
Leyden macht die Welt schabab/
Und nach Tugend streben.
16.
Als Manaß' im Glückes-Stand
Sich befand'/
Hat er Gott verachtet/
Balaim den falschen Gott/
Gott zum Spott/
Fettes Vieh geschlachtet/
Als ihn aber hingeführt
Seine Feind' gefangen/
Ist er von der Reu berührt
In sich selbst gegangen.
17.
Auch Nabuchodonosor10
Kurtz zuvor
Gott nicht wollt' erkennen/
Als darauff er aber bald
In dem Wald
Herumb müßte rennen/
Hat ihn endlich sein Unglück
Zu der Buß getrieben/[141]
Sonsten wär' er weit zurück
Von dem Heyl geblieben.
18.
Wann der Artzt aus reiffem Raht
Zucker hat
Frucht-loß vorgeschrieben/
Muß durch bitters Aloë11
Dann das Wehe
Werden abgetrieben;
Daphnis pflegt das Myrrhen-Oel
Häuffig zu ertheilen/
Wann die Sund-erkranckte Seel
Schwärlich mehr zu heilen.
19.
Wann die scharffe Straffes-Ruht
Dann so gut
Für die krancke Seelen/
Ey so komm' Samaritan
Bald heran
Mit den schärffsten Oelen/
Dopple deine Streich'/ und Schläg/
Oeffne/ schneid und brenne/12
Daß gesund ich werden mög'/
Und zur Höll nicht renne.
20.
Gern will mit dem Phœnix ich13[142]
Legen mich
Auff den Myrrhen-Hauffen/
Mit Abtödung meiner Sinn
Mit Gewinn
Neues Leben kauffen/
Daß alsdann/ wie er/ auch ich
Ewig möge leben/
Weil ich allem Creutz nun mich
Willig undergeben.
1 Sehe/ ich stehe bey der Thür/ und klopffe an. Apoc. 3. v. 20.
2 Vlysses hat seine Ohren mit Wax verstopfft.
3 Compelle intrare. Luc. 14. v. 24.
4 Plus, reor, hominibus adversam, quàm prosperam prodesse fortunam. Poët. de consol. Philo. c. 2. pros. 8.
5 Post gemitum botri. Nach Wäinen/ Wein.
6 ohne
7 Necessaria est pluria, glacies, ut vernans exurgat spica, S. Chrysost. hom. 3. ad Pop.
8 A vulnere forma. Nach den Wunden/ schön befunden.
9 Unglück.
10 Dan. 4.
11 Ein sehr bitteres/ doch heylsames Kraut/ und Wurtzel.
12 S. August. Hìc ure, hìc seca, dummodo in æternum parcas.
13 Ein Vogel/ welcher/ wann er als ist/ sich auff bitteres Gewürtz legt/ diß es von der Sonnen-Hitz angezündet/ und er darmit verbrennt wird/ aus wessen Aschen ein Würmlein/ aus dem Würmlein wiederum der zuvor geweßte Phœnix neu gebohren wird. Lact. Firmin. in Carm. De Phœnice.
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