4. Clorinda kommt in Erkanntnuß/ daß die zeitliche Straff Gottes/ Creutz/ und Leyden ein Zeichen seiner Liebe seye

Disciplina tua, Domine, correxit me in finem, Disciplina tua ipsa me docebit.

Psal. 17. v. 36.


Deine Straff hat mich zu dem End gezüchtiget/ und deine Züchtigung wird mich underweisen.


1.

Weil ich auff dem Wollusts-Weg

Meine Täg'

Ohne Sorg verzehret/

Hab' ich Heyl-vergessen mir

Selbst die Thür

Zu dem Heyl versperret/

Massen ich so Laster-geyl

Nach der Höll geloffen/

Daß von meinem Seelen-Heyl

Wenig mehr zu hoffen.


2.

Als nun Daphnis also mich

Liederlich

Sah' in Sünden leben/[135]

Und nur nach der Eitelkeit

(Allbereit

Gott-vergessen) sterben/

Bracht ihm meine Heyls-Cefahr

Kümmerliche Sorgen;

Dann mein böses Leben war'

Ihm gar nicht verborgen.


3.

Klopffe derohalben offt1

Unverhofft/

An bey meinem Hertzen/

Sagte mir/ ich solte nicht

Wider Pflicht

Seine Lieb verschertzen;

Aber sein Ermahnungs-Lehr

War' an mir verlohren/

Dann ich gab' ihm nur Gehör

Mit Ulysses-Ohren.2


4.

Als er mich zu seiner Schmach

Also sah'

Allen Raht verachten/

Müßt' auff andre Mittel Er/

Weil ich schwer

Zu bekehren/ trachten;

Kame mit der Höllen-Straff

Ernstlich mich zu schröcken/[136]

Von dem tieffen Sünden-Schlaff

Endlich auffzuwecken.


5.

Schickte mir in bester Ruh

Gähling zu

Schwäres Creutz/ und Leyden,

Mir den Weg zum Undergang

Mit Bezwang

Also abzuschneiden;

Dann weil ich im Glückes-Stand

Stäts verbeint geblieben/

Hat Er mich mit scharffer Hand

Zu dem Joch getrieben.3


6.

O wohl ein gantz allerseits

Güldnes Creutz/

So die Sünder bessert

Welches des Gottlosen Aug

Mit der Laug

Wahrer Reu bewässert!

Unglück ist das beste Glück/4

Glück bringt nur verderben/

Wessen Gnaden-reiche Dück'

Heilig machen sterben.


7.

Reben/ die man Frühlings-Zeit

Fleißig schneidt/

Zwar anfänglich wäinen/[137]

Aber/ wann der Herbst einbricht/

Sie gar nicht

Mehr betrübt erscheinen/

Dann sie zierlich auffgemutzt

Voll der Trauben hangen/

Hätte man sie nicht gestutzt/5

Wurden sie schlecht prangen.


8.

Wann dem Baum die geile Proß/

Zweig/ und Schoß

Man nicht wird benemmen/

Wird vor andern Bäumen er/

Früchten lähr/

Sich bald müssen schämen/

Muß demnach aus seiner Stätt

Auff den Scheiter-Wagen:

Wann man ihn gestümmlet hätt'/

Hätt' er Frucht getragen.


9.

Machen auch die Krieges-Leut

Gute Beut/

Die nicht scharff gefochten?

Keinem wird der Sieges-Krantz

Bey dem Dantz

Ohne Streit geflochten:

Durch die Wunden werden sehr

Ruchtbar die Soldaten/

Keiner kan zu grosser Ehr/

Sonder6 Mühe gerahten.
[138]

10.

Will die Erde fruchtbar seyn/

Korn und Wein

Nach Erfordrung haben/

Muß sie ihr verwachsnes Hertz

Durch das Aertz

Lassen tieff durchgraben/

Durch des kalten Winters Wuht

Reiffen/ Schnee/ und Regen/7

Wird sie wiedrum frisch und gut:

Räuche bringt den Segen.


11.

Ob die Drucker dem Papier

Schon offt schier

Gar die Seel auspressen/

Kan es doch sein Ungemach

Keiner Rach/

Oder Zorn zumessen/

Massen es dardurch empfangt

Weißheit der Buchstaben/

Welches jederman verlangt

Stäts bey sich zu haben.


12.

Zierlich prangt die göldne Cron

Auff dem Thron

Mittelst vieler Streichen/

Alle Klopffer/ Schläg'/ und Schnitt'/

So sie litt'/

Ihr zur Zierde reichen/[139]

Auff den Königs Häuptern macht

Sie das Leyden prangen/

Ohne welches solchen Pracht

Sie nicht wurd' erlangen.


13.

Niemal werden Flachs/ und Hampff

Ohne Kampff

Zarte Leinwat geben/

Müssen durch der Hächel Zähn

Mühlich gehn

Ohne widerstreben/

Endlich wird ein Hemmd daraus/

Oder zarter Kragen/

So aus einem schlechten Hauß

Wird nach Hof getragen.


14.

Rauche Stöck'/ und grobe Stein'

Werden fein

Nach erlittnen Wunden/8

Und nach gantz entwetztem Stahl

Manches mahl

Schöne Werck' befunden:

Was zuvor abscheulich wild

An Gestalt gewesen/

Durch das Hauen wird ein Bild

Schön/ und auserlesen.


15.

Also macht das Affter-Glück9

Schöne Stück'[140]

Aus den Menschen-Kindern/

Pflegt den Hoch- und Ubermuht

Durch die Ruht

Seiner Tück zu mindern:

Leyden schreckt die Sünder ab

Von gottlosem Leben:

Leyden macht die Welt schabab/

Und nach Tugend streben.


16.

Als Manaß' im Glückes-Stand

Sich befand'/

Hat er Gott verachtet/

Balaim den falschen Gott/

Gott zum Spott/

Fettes Vieh geschlachtet/

Als ihn aber hingeführt

Seine Feind' gefangen/

Ist er von der Reu berührt

In sich selbst gegangen.


17.

Auch Nabuchodonosor10

Kurtz zuvor

Gott nicht wollt' erkennen/

Als darauff er aber bald

In dem Wald

Herumb müßte rennen/

Hat ihn endlich sein Unglück

Zu der Buß getrieben/[141]

Sonsten wär' er weit zurück

Von dem Heyl geblieben.


18.

Wann der Artzt aus reiffem Raht

Zucker hat

Frucht-loß vorgeschrieben/

Muß durch bitters Aloë11

Dann das Wehe

Werden abgetrieben;

Daphnis pflegt das Myrrhen-Oel

Häuffig zu ertheilen/

Wann die Sund-erkranckte Seel

Schwärlich mehr zu heilen.


19.

Wann die scharffe Straffes-Ruht

Dann so gut

Für die krancke Seelen/

Ey so komm' Samaritan

Bald heran

Mit den schärffsten Oelen/

Dopple deine Streich'/ und Schläg/

Oeffne/ schneid und brenne/12

Daß gesund ich werden mög'/

Und zur Höll nicht renne.


20.

Gern will mit dem Phœnix ich13[142]

Legen mich

Auff den Myrrhen-Hauffen/

Mit Abtödung meiner Sinn

Mit Gewinn

Neues Leben kauffen/

Daß alsdann/ wie er/ auch ich

Ewig möge leben/

Weil ich allem Creutz nun mich

Willig undergeben.


Fußnoten

1 Sehe/ ich stehe bey der Thür/ und klopffe an. Apoc. 3. v. 20.


2 Vlysses hat seine Ohren mit Wax verstopfft.


3 Compelle intrare. Luc. 14. v. 24.


4 Plus, reor, hominibus adversam, quàm prosperam prodesse fortunam. Poët. de consol. Philo. c. 2. pros. 8.


5 Post gemitum botri. Nach Wäinen/ Wein.


6 ohne


7 Necessaria est pluria, glacies, ut vernans exurgat spica, S. Chrysost. hom. 3. ad Pop.


8 A vulnere forma. Nach den Wunden/ schön befunden.


9 Unglück.


10 Dan. 4.


11 Ein sehr bitteres/ doch heylsames Kraut/ und Wurtzel.


12 S. August. Hìc ure, hìc seca, dummodo in æternum parcas.


13 Ein Vogel/ welcher/ wann er als ist/ sich auff bitteres Gewürtz legt/ diß es von der Sonnen-Hitz angezündet/ und er darmit verbrennt wird/ aus wessen Aschen ein Würmlein/ aus dem Würmlein wiederum der zuvor geweßte Phœnix neu gebohren wird. Lact. Firmin. in Carm. De Phœnice.


Quelle:
Laurentius von Schnüffis: Mirantisches Flötlein. Darmstadt 1968, S. 131-132,135-143.
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