An meine Gitarre

[34] Gitarre, wie du hängst so traurig!

Die Saiten tönen nimmermehr,

Die längst zerrißnen wanken schaurig

Im Abendwinde hin und her.


Auch deine Saiten sind zerrissen,

Es schweigt dein süßer Liederklang,

Seit in des Busens Finsternissen

Mir jede frohe Saite sprang.


Mir sank der Freund voll Jugendblüte

Hinunter in die Todesflut;

Die meiner Lieb entgegenglühte,

Nun bei den kalten Toten ruht.


Doch will ich euch nun frisch besaiten,

Dich, meine Leier! dich, mein Herz!

Rückbannen die entflohnen Zeiten,

Die alte Lust, den alten Schmerz.


Hinaus ins Dunkel jener Eichen!

Dort findet sich der alte Lauf;

Dort stören wir die Liederleichen

Aus ihren stillen Gräbern auf.


Wenn erst die Lieder nur erwachen,

Dann ruft, dann zieht ihr lauter Chor

Die Lieben all in meinen Nachen

Aus dunkler Todesflut empor.


Es klingt! – doch fliehn im scheuen Fluge

Die Töne auf von meiner Hand;

So eilt, verspätet, nach dem Zuge

Das Vöglein übers Heideland.


Jetzt bin ich meines Herzens Meister!

Nun rauscht wie einst der Sturmakkord![35]

Schon springen die versunknen Geister

Herauf, herauf an meinen Bord!


O du, mein Freund, so treu und bieder!

Wohl mir, du bist mir wieder nah!

Dem süßes Wort auch hör ich wieder:

Mein holdes Mädchen, bist du da? –


Doch nein! mich höhnten finstre Mächte!

Wo ist der Freund? das blonde Kind?

Der Nebel reicht mir keine Rechte;

Durch blonde Disteln saust der Wind!

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 34-36.
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