Der Seelenkranke

[285] Ich trag im Herzen eine tiefe Wunde

Und will sie stumm bis an mein Ende tragen;

Ich fühl ihr rastlos immer tiefres Nagen,

Und wie das Leben bricht von Stund zu Stunde.


Nur eine weiß ich, der ich meine Kunde

Vertrauen möchte und ihr alles sagen;[285]

Könnt ich an ihrem Halse schluchzen, klagen!

Die eine aber liegt verscharrt im Grunde.


O Mutter, komm, laß dich mein Flehn bewegen!

Wenn deine Liebe noch im Tode wacht,

Und wenn du darfst, wie einst, dein Kind noch pflegen,


So laß mich bald aus diesem Leben scheiden.

Ich sehne mich nach einer stillen Nacht,

O hilf dem Schmerz, dein müdes Kind entkleiden.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 285-286.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Faust: Ein Gedicht
Gedichte
Die schönsten Gedichte
Gedichte (insel taschenbuch)
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)