2.

[341] Ich trinke hier allein,

Von Freund und Feinden ferne,

In stiller Nacht den Wein

Und meide selbst die Sterne:


Da fährt man gerne mit

In Blicken und Gedanken

Und könnt auf solchem Ritt

Das volle Glas verschwanken.


Der Kerzen heller Brand

Kommt besser mir zustatten,

Da kann ich an der Wand

Doch schauen meinen Schatten.[341]


Mein Schatten! komm, stoß an,

Du wesenloser Zecher!

Auf, schwinge, mein Kumpan,

Den vollen Schattenbecher!


Seh ich den dürren Schein

In deinem Glase schweben,

Schmeckt besser mir der Wein

Und mein lebendig Leben;


So schlürfte der Hellen

Die Lust des Erdenpfades,

Sah er vorübergehn

Als Schatten sich im Hades.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 341-342.
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