Dritte Szene

[111] In Naumburg.

Herr von Biederling. Frau von Biederling.


FRAU VON BIEDERLING. Was denn? wenn du dein Pachtgut beziehst? Bist du nicht gescheit im Kopf? was sollen wir mit einer fremden Mannsperson anfangen?

HERR VON BIEDERLING. Es ist ja aber ein verheirateter Mann, was willst du denn? Und krank dazu, will den Brunnen hier trinken; kann man ihm die kleine Gefälligkeit nicht gestatten, da er mir Haus und Hof eingibt auf achtzehn Jahr?

FRAU VON BIEDERLING. Da er dir einen Strick gibt, dich aufzuhängen. Das letzte wird aufgehn, was wir noch aus dem Schiffbruche des Kriegs und deiner Projekten gerettet haben, wir werden zu Grunde gehen, ich seh es zum voraus.

HERR VON BIEDERLING. Du siehst immer, siehst – den Himmel für eine Geige an. Mit euren Einsichten solltet ihr doch zu Hause bleiben, Madam Weiber. Sorg, daß du uns was zu essen auf den Tisch schaffst, mir und meinem lieben Kalmuckenprinzen, fürs übrige laß du den lieben Gott sorgen und deinen Mann. Hör noch, über einige[111] Wochen krieg ich noch einen Gast, auf den du dich wohl nicht versiehst – dem du mir ordentlich begegnen mußt, rüste dich nur drauf – aus Triest.

FRAU VON BIEDERLING. Herr von Zopf?

HERR VON BIEDERLING. Den Nagel auf dem Kopf getroffen. – Nun was soll das Erstaunen und die starren Augen da? Er ist ein ehrlicher Mann, ich hab mit ihm ausgeredt. –

FRAU VON BIEDERLING. Rabenvater!

HERR VON BIEDERLING. Er wartet nur noch in Dresden auf die Seidenwürmereier, die er mir bringen soll, so – –

FRAU VON BIEDERLING. Ja wenn's Seidenwürmer wären, aber so sind's nur deine Kinder. O Himmel! strafst du mich so hoch, daß ich so spät erst einsehen muß, was ich an meinem Manne habe.

HERR VON BIEDERLING. So schweige Sie still, Komödiantin! Kein Wort von der Affäre mehr, ich bitte mir's aus. Es ist alles abgetan, das sind keine Weibersachen.

FRAU VON BIEDERLING. Ich mich um meinen Sohn nicht bekümmern?

HERR VON BIEDERLING. Je nun, deinen Sohn, kannst du ihn mit deinem Bekümmern lebendig machen? Wenn es dem lieben Gott gefallen hat, das Unglück über uns zu verhängen –

FRAU VON BIEDERLING. Dem Herrn von Biederling hat's gefallen. Kindermörder! Was hab ich gesagt, als du ihn dem Zopf anvertrautest, was hab ich gesagt? Aber du wolltest ihn ins Wasser werfen, du wolltest seiner los sein – Geh mir aus den Augen, Böswicht! Du bist mein Mann nicht mehr –

HERR VON BIEDERLING. Was denn? Tratarat, daß das Donner Hagel tausend Wetter, was willst du denn von mir? bist toll geworden? Ja da war wohl groß Frage, wem unsern Sohn anvertrauen? wenn ein Zigeuner kommen wäre, ich hätt ihm Dank gesagt. Wenn man ins Feld soll und nichts zu beißen und zu brechen, hast wohl viel Ehr zu räsonnieren, und hat denselben Tag sich die[112] Augen bald blind geweint für Hunger – ja da plärrt Sie, wenn man Ihr auf den Zeh tritt; weil Sie jetzt im Überfluß sitzt, so möcht Sie gern vergessen, wo Ihr der Schuh gedrückt hat.

FRAU VON BIEDERLING. Ist eine unglücklichere Frau unter der Sonnen als ich?


Geht fort.


HERR VON BIEDERLING. Ja warum nicht unter dem Mond lieber? Ab.


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 111-113.
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