Dritte Szene

[121] In Immenhof.

Donna Diana. Babet, ihre Amme, einen Brief in der Hand.


DONNA. Lies vor, sag ich dir.

BABET. Auf meinen Knien bitt ich Sie, erlauben Sie mir, ihn unvorgelesen zu verbrennen.

DONNA. Eben jetzt will ich ihn hören, und müßt ich davon auf der Stelle sterben.

BABET. Wenn Sie ein Frauenzimmer wären wie andere, aber bei Ihrem großen Herzen, bei Ihrem edlen Blut, edler als Ihr Ursprung.

DONNA. Was edler als mein Ursprung – – Hexe! wo du mir meines Vaters auf eine unehrerbietige Art erwähnst.

BABET. Er ist tot.

DONNA. Tot – – schweig stille! – – ist er tot? – halt's Maul, sag mir nichts weiter. Nach einer Pause. Woran ist er gestorben?

BABET. Darf ich?

DONNA. Sag mir woran.

BABET. Weh mir!

DONNA schlägt sie. Woran? oder ich bohr dir das Herz durch! woran? Sieht sich nach einem Gewehr um.

BABET. An Gift.

DONNA. An Gift? Das ist betrübt – das ist arg – abscheulich. Ja an Gift – – also – – lies mir den Brief vor.

BABET. O wie mißhandeln Sie mich. Wenn ich ihn aber lese, so ist's um mich geschehen.

DONNA. Närrin! verdammte Hexe!

BABET. Sie werden mich umbringen.

DONNA. Was ist's mehr, wenn ein solcher Balg umkommt? Ob ein Blasebalg mehr oder weniger in der Welt – was sind wir denn anders, Amme? ich halt mich nichts besser als meinen Hund, so lang ich ein Weib bin. Laß uns Hosen anziehn und die Männer bei ihren Haaren im Blute herumschleppen.[121]

BABET. O Gott! was macht Ihre Lebensgeister so scharf? Ich hab Sie doch auch sanftmütiger gesehen.

DONNA. Wir wollen's den Männern überlassen, den Hunden, die uns die Hände lecken und im Schlaf an die Gurgel packen. Ein Weib muß nicht sanftmütig sein, oder sie ist eine Hure, die über die Trommel gespannt werden mag. Lies Hexe! oder ich zieh dir dein Fell ab, das einzige Gut, das du noch übrig hast, und verkauf es einem Paukenschläger.

BABET liest. »Wenn Dein Herz, niederträchtige Seele, noch des Schröckens fähig ist, denn alle andere Empfindungen haben es längt verlassen – Dein Vater starb an Gift. Wenn Dein Gemahl noch bei Dir ist, so sag ihm, ich werd ihm durch die Gerechtigkeit meinen Schmuck abfordern lassen, den ihr mir gestohlen habt. Dir aber will ich hiemit den Schleier abreißen und Dir zeigen wer Du bist. Nicht meine Tochter, ich konnte keine Vatermörderin gebären – Du bist – – vertauscht –«

DONNA. Nicht weiter – – nicht weiter. – Gütiger Gott und alle Heiligen! Laß einen doch zu Atem kommen. Wirft sich auf einen Stuhl. Babet will fortschleichen, sie springt auf und reißt sie zur Erde. Verdammter Kobold! willst du lesen?

BABET liest. »Deine Mutter ist ...«

DONNA. Lies.

BABET. Weh mir.

DONNA. Wo du ohnmächtig wirst, so durchstoß ich, zerreiß ich dich und mich.

BABET. Weh mir.

DONNA. Wer ist es?

BABET. Ich.

DONNA. So stirb! damit ich auch Muttermörderin werde. Nein. Hebt sie auf. Komm! Fällt ihr um den Hals und fängt laut an zu weinen. Nein Mutter! Mutter! Küßt ihr die Hand. Verzeih mir Gott, wie ich dir verzeihe, daß du meine Mutter bist. Fällt auf die Knie[122] vor ihr. Hier knie ich und huldige dir, ja ich bin deine Tochter, und wenn du mich mit Ruten hauen willst, sag mir's, ich will dir Dornen dazu abschneiden. Geißele mich, ich hab meinen Vater vergiftet, ich will Buße tun.

BABET. Die Zukunft wird alles aufklären. Lassen Sie mich zu Bett legen, ich halt's nicht aus.


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 121-123.
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